Sir Alf Ramsey, “Three Lions Coach”, am 3. November 1969. Foto: Bert Verhoeff / Anefo / Wikipedia

England, derzeit mit dem Brexit in aller Munde, wird gerne als das Mutterland des Fußballs bezeichnet.

Anno 1857 wurde mit dem FC Sheffield weltweit der allererste Fußballverein überhaupt gegründet und im Jahre 1863 folgte in London die Verbands-Gründung Football Association, kurz FA samt Festlegung der Regeln.

Der Siegeszug des Fußballsports über den gesamten Globus nahm von da an – und das bis heute – seinen Lauf. Freilich dauerte es noch bis ins Jahr 1930, ehe die allererste Fußball-Weltmeisterschaft in Uruguay ausgetragen wurde.

Wiederum 36 Jahre zogen ins Land, bis England Fußball-Weltmeister wurde. 1966, veranstaltet und ausgetragen im eigenen Vereinigten Königreich, erreichte das „Mutterland des Fußballsports“ den bis heute allergrößten Triumph – World Cup Winner.

1990 und 2018 erreichten die „Three Lions“ anhand der Weltmeisterschaften in Italien und Russland zwar das kleine Finale, scheiterten dort aber an Italien (1 : 2) und Belgien (0 : 2) im Spiel um den 3. Platz. Ein Stachel, der den stolzen Engländern sehr tief sitzt. Frühestens 2022 bei der Fußball-WM in Katar könnte sich daran etwas ändern. Man wird sehen.

Impossible Job

Der Posten des Englischen Fußball-Teamchefs gilt gemeinhin als „Unmöglicher Beruf“. Die immer wieder auftretenden, teilweise auch viel zu hohen Erwartungen an die Nationalmannschaft, die harsche Kritik bei personellen oder taktischen Entscheidungen, sollten diese nicht gleich Früchte tragen, nehmen hier immer wieder größere Ausmaße an als anderswo. Dies alles ist mitunter auch ein Grund, warum die Englische Fußball-Nationalmannschaft oft im Schatten der Premier Legaue stand und steht. Es darf daher auch nicht verwundern, wenn sich kein Trainer zwingend darum reißt, Coach der Nationalelf zu werden.

Alfred Ernest Ramsey

Der am 22. Jänner 1920 im Londoner Stadtteil Dagenham geborene Alf Ramsey nahm sich dieser Tätigkeit an, sie war ihm Beruf und Berufung zugleich. Zwischen 1963 und 1974 betreute er die Englische Nationalmannschaft in 113 Spielen, wobei er mit seinem Team 61,1 Prozent dieser Spiele gewinnen konnte. Und das, obwohl Ramsey bei seiner Bestellung gar nicht erste Wahl war. Jimmy Adamson, der sich 1963 mit damals 34 Jahren als zu unerfahren sah und selbst noch gerne aktiv beim FC Burnley weiterspielen wollte, lehnte ab. Und so fiel die Bestellung der FA eben auf Alf Ramsey, der mit der Empfehlung zu den „Three Lions“ stieß, gerade eben mit dem Aufsteiger Ipswich Town 1961/62 Englischer Fußballmeister geworden zu sein.

Karrierebeginn im Krieg

Alf Ramsey selbst trug in der Zeit zwischen 1948 und 1953 32mal das englische National-Trikot. Seine Karriere als Abwehrspieler auf der rechten Verteidigerposition begann er 1940 beim FC Portsmouth. Mit 23 Jahren dann der Wechsel zu Southampton FC, gleichbedeutend mit seinem ersten Profi-Vertrag. Seine beste Zeit hatte er bei den Tottenham Hotspurs, mit denen er 1950/51 Football Champion geworden war. Der den Ruf eines coolen Abwehrspielers tragende Ramsey scorte in 226 Spielen für die „Spurs“ 24 Tore. Aber auch die sportlichen Schattenseiten des Fußballsports blieben ihm nicht verborgen. England verlor am 29. Juni 1950 bei der Weltmeisterschaft in Brasilien gegen die USA mit 0 : 1 und schied vorzeitig aus dem Turnier aus. Überaus schmerzvoll war für ihn auch das 3 : 6 auf dem heiligen englischen Wembley-Rasen am 22. November 1953 gegen Ungarn. Zwei Jahre später beendete er seine Laufbahn, um Trainer zu werden, bei Ipswich Town.

Die Statue von Sir Alf Ramsey in Ipswich. Foto: Self-made / Wikipedia

Steter Erfolg als Coach

Alf Ramsey übernahm „The Blues“ von Ipswich Town in der 3. Liga. Er impfte seinen Spielern ein, das Team über die Interessen des Einzelnen zu stellen. Auch taktisch änderte er so manches. Jimmy Leadbetter wurde vom linken Flügelspieler zu einem Spielgestalter umgewandelt, der aus der Tiefe heraus das Spiel an sich reißen konnte. Ipswich Town manövrierte er somit aus der 3. in die 1. Liga direkt hin zur gewonnenen Meisterschaft.

England wird Fußball-Weltmeister

Mit einer gesunden Portion Selbstvertrauen ausgestattet verkündete Alf Ramsey immer wieder, dass England 1966 im eigenen Land Weltmeister werden wird. Er wurde belächelt, um nicht zu sagen ausgelacht. Am Ende aber konnte er, Alf Ramsey, lachen. Er begann ab 1965 damit, beispielsweise gegen Spanien das Spiel erstmals ohne Flügel anzugehen. „Wingless wonders“-System ging in die Geschichte ein. Beim heimischen WM-Turnier 1966 waren Alan Ball und Martin Peters die „falschen Flügel“ im Mittelfeld, die den kreativen Bobby Charlton unterstützten. Nach der Vorrunde erhielten Geoff Hurst und Roger Hunt gegenüber Jimmy Greaves den Vorzug. Seine Spieler berichteten, wie er nach dem 2 : 2-Ausgleich im Finale vor der Verlängerung meinte: „Ihr hattet den Cup schon. Jetzt macht weiter, gewinnt ihn einfach noch einmal!“ Gefordert und getan – England schlug am 30. Juli 1966 im Endspiel die Bundesrepublik Deutschland inklusive „Wembley Tor“ mit 4 : 2 und war somit Fußball-Weltmeister 1966!

Ritterschlag durch die Queen

1967 wurde Alf Ramsey als zweiter Fußballer überhaupt nach Sir Stanley Matthews durch Königin Elisabeth II. in den Ritterstand erhoben. Von nun an durfte er sich „Sir“ nennen.

Never change a winning team

Es ist überliefert, dass dieser Ausspruch „Ändere nie ein siegreiches Team“ von Sir Alf Ramsey stammt. 1974 war für ihn bei den „Three Lions“ Schluss, er wurde entlassen. Nach einem Kurzgastspiel für ihn als Trainer bei Birmingham City zog sich Ramsey ab 1978 mehr und mehr aus der Öffentlichkeit zurück. Aus dem erfolgreichen Weltmeister-Trainer wurde der „forgotten coach“.

Erst mit dem Ableben von Sir Alfred Ramsey am 28. April 1999 in Ipswich wurde die Erinnerung an ihn wieder wach. Und mit jedem Misserfolg der Englischen Nationalmannschaft ebenso. Erst im Jahre 2000 wurde Alf Ramsey, dem vergessenen Weltmeister-Trainer in Ipswich eine Statue gewidmet, die ihm ein großes und ehrendes Andenken bewahren soll.

Ramsey wäre am 22. Jänner 2020 100 Jahre alt gewesen!

Quelle: oepb

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