Die inhaltliche Transformation der Tabakfabrik Linz von der klassischen Industrie der Zigarettenerzeugung hin zum Brennpunkt der kreativen Industrien, Digitalisierung und Start-ups findet mittlerweile internationale Beachtung. Der Wandel des Industrieareals wird mit der Adaptierung von Kraftwerk und Magazinen sowie dem Neubauprojekt Quadrill nun auch physisch greifbar und erlebt eine „grüne Transformation“: Die einst todbringende Zigarettenfabrik wird bis 2025 zur autofreien grünen Lunge und erhält am Peter-Behrens-Platz einen neu interpretierten „Central Park“, das so genannte FALKland.
Vom Central Park, jener 341 Hektar großen Grünfläche im Herzen Manhattans, heißt es, er sei eines der großzügigsten Angebote, das eine Stadt ihren Bürger*innen jemals gemacht hat. 1859 als Landschaftspark konzipiert, 1873 fertiggestellt und zunächst als Promenade der Reichen von New York errichtet, ist der Central Park heute Stadtoase, Sportplatz, Spazierweg und Treffpunkt für täglich bis zu einer halbe Million Menschen. Und mehr als das: Der Central Park ist so etwas wie die soziale Agora einer Stadt, in der die Gegensätze nicht größer sein könnten. Als National Historic Landmark der Vereinigten Staaten beheimatet der gigantische Park außerdem hunderte Tierarten mitten in einer der bedeutendsten Metropolen der Welt und ist ein wichtiger Zwischenlandeplatz für Zugvögel. Gäbe es die grüne Lunge New Yorks zwischen 5th und 8th Avenue nicht, müsste man sie wohl erfinden.
Dabei war der Wunsch nach einem Naherholungsgebiet der New Yorker Bevölkerung Mitte des 19. Jahrhunderts nur einer der Gründe, eine der weltweit größten Parkanlagen zu errichten. Die Stadtväter und Geldgeber knüpften die Realisierung des Central Park auch daran, dass sich damit Geld verdienen ließe, dass neue Arbeitsplätze entstünden, dass die kulturelle Bedeutung der Stadt steigen und die Gesundheit ihrer Bürger*innen gefördert werden würde. All diese Kriterien hat der Central Park bravourös erfüllt, er ist der Prototyp des städtischen Parks.
Transformationskraft
Jenseits des großen Teichs, tausende Kilometer vom Big Apple entfernte, regierte über viele Jahrzehnte der Big Smoke. Seit 2009 im städtischen Eigentum, haben sich die Rauchschwaden und Nikotinnebel in der Tabakfabrik Linz mittlerweile längst verzogen. Die einstige Lungentodmaschine ist heute Triebfeder von Innovation und Kreativität, Brutkasten für Start-ups, Werkbank der Digitalisierer*innen, Bühne, Bildungsstätte und Labor. Einhellig wird diesem Ort seine unglaubliche Wandlungsfähigkeit bescheinigt, dessen Transformationskraft auf die gesamte Stadt wirkt.
Die „Falk“ war eine der bekannten Zigarettenmarken, die im Werk der Austria Tabak millionenfach vom Band liefen. Der Schriftzug „Falk“ prangte als weithin sichtbare Leuchtschrift in unverkennbarem Gelb auch viel Jahre Richtung Untere Donaulände hoch oben an der Fassade des Zwischenmagazins B. „Falk“, das war viele Jahre ein optischer Fixstern für die Linzerinnen und Linzer, so wie das noch erhaltene „Dames“ am Bau 2. Nun erhält die „Falk“ eine neue Bedeutung – „extramild“ und aus „besten Tabaken“ stand die Marke früher für eine in Linz hergestellte Zigarette. Nun jedoch wird sie in Form des FALKlands Namensspenderin einer heilsamen Grünoase, die durchatmen lassen und die Lungen mit Sauerstoff statt Zigarettenqualm füllen wird.
Erste Erfolge
Im Kleinen hat dieses FALKland bereits Gestalt angenommen: Ab dem Herbst 2019 wurde ein 3.000 Quadratmeter großer Teilabschnitt in der Tabakfabrik rund um den Eingang zum Bau 1, die Grand Garage und die Lösehalle umgestaltet und begrünt. Mehr als 60 junge Bäume schlagen seit dem Vorjahr ihre Wurzeln in vormals von Asphalt und Beton versiegelte Flächen, Privatpersonen wie Unternehmen übernahmen Baumpatenschaften. Im einstigen Biofilter, der die Abluft der Tabakproduktion reinigte, wuchert heute üppiges Grün. Als Aerosol-Allee verkörpert dieser urbane Canyon eine grüne Turbine zur Luftreinigung des Areals, eine biologische Klimaanlage, die das gesamte Areal im Zusammenspiel mit den großen Drei – jenen bis zu 90 Jahre alten Baumriesen im Innenhof – in heißen Sommer kühlen wird. Bis zur finalen Fertigstellung des FALKlandes 2025 wird permanent an der Begrünung des Areals weitergearbeitet.
In der Tabakfabrik sind auch jene Kompetenzen gebündelt, die es braucht, um mit modernster Sensorik und neuesten Technologien lebenswichtige Parameter wie die Luftgüte zu messen. Es gilt als erwiesen, dass ein großer Baum die Luft in seiner direkten Umgebung um bis zu fünf Grad Celsius kühlen kann. Der Asphalt im Baumschatten kann sogar um bis zu 20 Grad Celsius kühler sein als jener in der Sonne. Seine volle „Kühlwirkung“ kann ein Baum freilich erst ab einem Alter von etwa 20 Jahren entfalten.
Wüstentage
Insofern drängt die Zeit, jetzt aktiv zu werden. Städte wie Linz sind gefordert, es nicht bei Lippenbekenntnissen zu belassen und lokale Klimaschutzprogramme umzusetzen, zumal die Zahlen für sich sprechen: Der Tagesmittelwert der Lufttemperatur ist in Linz im den vergangenen 40 Jahren kontinuierlich gestiegen. Wurde 1980 eine Durchschnittstemperatur von 8,6 Grad Celsius gemessen, waren es 2020 bereits 11,8 Grad Celsius. Bemerkenswert ist, dass das Tagesmittel seit 2010 immer über 10 Grad Celsius lag und die vergangenen fünf Jahre auch zu den heißesten in den vergangenen 40 Jahren gehören. Die Zahl der Tropennächte mit mehr als 20 Grad Celsius nahm zuletzt sprunghaft zu, dazu droht eine Verdoppelung der Hitzetage mit über 30 Grad Celsius von zuletzt 24 Tagen auf 50 Hitzetage bis zum Jahr 2050, von der wachsenden Zahl der „Wüstentage“ mit über 35 Grad Celsius Tageshöchstwert ganz zu schweigen.
Die globalen Fakten sind hinlänglich bekannt: Das Eis schmilzt gleichermaßen auf den Gletschern wie auf den Polkappen und in Grönland, den Amazonas-Regenwald dezimieren nicht nur Holz- und Landwirtschaft, sondern auch Brände, die nicht mehr unter Kontrolle zu bringen sind. Dazu gesellen sich immer häufigere Extremwetterereignisse auf allen Kontinenten und das erschlaffende Band des Jetstreams, das uns in Europa immer länger andauernde Perioden gleichen Wetters beschert – im Sommer ist es meist eine extreme Hitze.
1.000 neue Bäume
Dass Linz nun mit verschiedenen Maßnahmen lokal auf eine globale Herausforderung reagiert, zeigt sich an der jüngst vorgestellten Baumoffensive, die 1.000 neue Bäume in die Innenstadt bringen, die grüne Lunge der Stadt stärken und Klima und Luftqualität verbessern soll. Die positiven Effekte eines Baumes im Eintausch für Zeit, Wurzelraum und Wasser sind überragend: Er schützt vor Wind, kühlt die Luft durch aktive Verdunstung des Bodenwassers, filtert Feinstaub, bindet Kohlendioxid über und unter der Oberfläche, spendet Schatten und speichert Regenwasser, das, wenn es ungebremst abfließt, schnell zu einer Überlastung der städtischen Kanalsysteme führen kann.
Schwammstadt
Die bis zu 1.000 neuen Bäume von Linz sollen zu einer Kühlung beitragen, auf 30 innerstädtischen Straßenkilometern gibt es ausreichend Platz – darunter die Kroatengasse, die Lustenauerstraße oder die Freistädter Straße. Dazu braucht es auch bauliche Maßnahmen: Denn damit Bäume in versiegelten Stadtbereichen wachsen und zwischen 80 und 100 Jahre alt werden können, kommt das Schwammstadt-Prinzip zur Anwendung – ein Konzept in der Stadtplanung, das die lokale Speicherung von anfallendem Regenwasser vorsieht, anstatt es zu kanalisieren und rasch abzuleiten. Voraussetzung dafür sind sowohl versickerungsfähige Verkehrsflächen (Pflaster, Mulden und Rigolen) sowie urbane Grünflächen und Feuchtgebiete. Da wie dort brauchen Bäume Platz für ihre Wurzeln, um wachsen und sich ausbreiten zu können. Gemäß Schwammstadt-Prinzip gilt es, Strukturen im Untergrund zu schaffen, die von den Wurzeln der Bäume erschlossen werden können; also den Boden aufzulockern und gleichzeitig ausreichend Stabilität für Gehwege und Straßen zu bieten. Meist gelingt dies durch eine Mischung aus Splitt, Kompost und feine, wasserspeichernde Materialien. Eine lohnende Investition: Denn nur dann, wenn ein Baum groß genug ist, spendet er genug Schatten und verfügt über genügend Blattoberfläche, um Boden aus dem Wasser aufzunehmen und durch Verdunstung eine Kühlwirkung zu erzielen.
Die Blattoberfläche eines Baumes wird nie heißer als die Lufttemperatur – im Unterschied zu anderen Materialien wie Asphalt, Stein, Stoff oder Blech.
Wichtig ist es also, den Boden nicht noch stärker zu verdichten, bis er eine für Leben undurchdringliche Schicht geworden ist. Was es braucht, ist städtisches Regenwasser- und Bodenmanagement, verbunden mit einer Entsiegelung, wo immer sie möglich ist.
Gemeinsam mit den Expert*innen des Linzer Baumforums plant die Tabakfabrik in diese Richtung unter anderem auch Veranstaltungen wie den Bionischen Kongress, bei dem Themen wie Schwammstädte, urbane Grünanlagen und nachhaltige Stadtplanung behandelt und Impulse für ein weiterhin lebenswertes Linz geliefert werden.
The heat is on
Ein Blick auf die Heatmap von Linz, jener Karte auf der die Hitzeinseln der Stadt verzeichnet sind, verdeutlicht den Handlungsbedarf. Je dichter verbaut, je schlechter durchlüftet und je weniger mit Bäumen und Grün durchsetzt, umso mehr heizen sich ganze Viertel besonders im Sommer auf.
Die Tabakfabrik will südlich der Donau, wo besonders die Innenstadt, aber auch weite Teile des Kaplanhof- und Hafenviertels, in heißen Orange- und Rot-Tönen eingefärbt sind, einen Kontrapunkt setzen. Als grüne Oase mit eigenem „Central Park“, als FALKland, das viele Funktionen in sich vereint: Klimaanlage für die Tabakfabrik und darüber hinaus, Flaniermeile, Erholungsraum, Bühne- und Austellungsort, Spektakel für jede Jahreszeit und jeden Tag – als sanfte Hügellandschaft im Abendlicht mit Platz für ein Picknick im Grünen, die Yoga-Session mit Freund*innen, das Feierabendbier mit Kolleg*innen im angrenzenden Gastgarten der Linzer Brauerei. Als Quelle der Inspiration für Künstler*innen umgeben von ikonischer Behrens-Architektur, als Austragungsort von Projekten, wie sie Christo und Jeanne-Claude 2005 im großen Central Park von New York mit „The Gates“ umgesetzt haben, jenen mehr als 7.000 Metalltoren und safrangelben Stoffbahnen, die im Wind tanzten. Und vielleicht auch als Vorbild für Organisationsstrukturen im Sinne der „Orbionic“, wird die Orientierung an systemischen Prinzipien der Natur doch mittlerweile als Erfolgsfaktor für ganze Unternehmen identifiziert, basierend auf einer Logik, dass die Welt so ist, wie sie ist, weil sie so ist, wie sie ist. Orbionic setzt die Idee der Bionik, Vorbilder aus der Natur für Lösungen heranzuziehen, für Organisationen um. Sie bezieht Kreisläufe, Wachstum, Verbundenheit, Gleichgewicht, Ressourcenausgleich, Vielfalt, situative Anpassung, Flexibilität und das Prinzip des Rhythmus mit ein.
Als Zentrum für kreative Industrien, Digitalisierung und Start-ups hat sich in der Tabakfabrik Linz eine einzigartige Innovationsökologie entwickelt, zu der unterschiedlichste Schlüsselrollen einen Beitrag leisten: Unter ihnen Propheten, Entdeckerinnen und Schöpfer genauso wie Kämpferinnen, Unruhestifter und Umsorger. Sie alle halten den Zyklus von Entwicklung und Wachstum, von Restrukturierung und neuerlicher Aufbauarbeit in einer Endlosschleife am Laufen. Zum Mindset der Tabakfabrik gehört es, disruptive Ideen, die bestehenden Strukturen aufbrechen und durch fruchtbringendere Lösungen ersetzen, zuzulassen und zu fördern. In diesem Sinne soll auch das FALKland entstehen und gestaltet werden. Nicht als klinisch gepflegter Park, sondern als Grünraum, in dem Wildwuchs zulässig ist, wo Überholtes umfallen, vermodern und den Humus für Neues bilden kann.
Grüne Energie statt graue Energie
Bis zum Jahr 2025, in dem das spektakuläre Neubau-Ensemble Quadrill fertiggestellt sein wird, dominieren Kräne und Bagger zumindest den Westen des Tabakfabrik-Areals. Vor dem Hintergrund steigenden Ressourcenverbrauchs und damit einhergehender Rohstoffknappheit ist ein Gebäude-Lebenszyklus im Sinne der Nachhaltigkeit ganzheitlich zu betrachten. Dafür wurde der Begriff der „grauen Energie“ definiert, den kumulierten Aufwand an nicht-erneuerbarer Primärenergie zur Herstellung und Entsorgung. Berücksichtigt werden dabei auch alle vorgelagerten Prozesse vom Rohstoffabbau über Herstellung und Verarbeitung bis hin zu Transport und Hilfsmitteln. Zwischen „Central Park“ und Quadrill könnte sich dabei ein ressourcenschonender Doppelpass ergeben – sollte für das Parkprojekt etwa der Erdaushub des Quadrill verwendet werden, würden mit mehr als 1.000 Lkw-Fahrten bis zu acht Prozent der CO2-Emissionen eingespart werden. Kleine Beiträge, die beispielhaft sein könnten für eine gesamte Stadt und darüber hinaus.
Stimmen zum Projekt
„Die Pionierrolle der Tabakfabrik geht Hand in Hand mit meinen Bemühungen als Bürgermeister, den Wohlstand in unserer Stadt zu sichern und den Klimawandel hintanzuhalten: Der Ausbau des öffentlichen Verkehrs, der Kampf gegen die Hitzeinseln und eine wettbewerbsfähige Industrie, die dank ihrer Innovationskraft gleichzeitig sauber und erfolgreich ist, werden dafür ganz entscheidend sein“, sagt Bürgermeister Klaus Luger, Aufsichtsratsvorsitzender der Tabakfabrik Linz.
„Vom Brownfield zum Colored Field – das ist unser Ziel. Mit der Revitalisierung dieses Industriedenkmals haben wir in der positiven Ökobilanz des Standorts schon einen wichtigen Schritt gesetzt, wir wollen aber noch weitergehen. Seit 1672, als hier die Wollzeug- und Teppichfabrik gegründet wurde, ist die Fläche versiegelt. Nach fast 350 Jahren ist es Zeit, den Boden zu entsiegeln und das Areal zu begrünen. Die inhaltliche Wandlung des Areals von der Zigarettenfabrik hin zum Hotspot der Kreativität spiegelt sich auch in der Diversität der Disziplinen wider, in den hier gearbeitet wird. Diese vielfältige Ökologie soll auch im Außenbereich spürbar sein. Unser Anspruch ist es, ein Begrünungskonzept zu erstellen und umzusetzen, von dem noch viele weitere Generationen profitieren werden. Wir wollen auch daraus lernen und die Bäume und Pflanzen mit Sensoren versehen, um das Mikroklima in der Tabakfabrik zu messen und so einen sensitiven Stadtteil zu schaffen. Das wird nicht einfach zu bewerkstelligen sein, aber wir wollen mit aller Kraft und Kreativität unser Ziel erreichen, einen innerstädtischen Wald für die Linzer Bevölkerung zu schaffen – eine Lichtung im physischen und metaphorischen Sinn“, sagt Chris Müller, Direktor für Entwicklung, Gestaltung und künstlerische Agenden in der Tabakfabrik Linz.
„Wir haben in der Pandemie gelernt, wie wichtig hybride Räume sind. Für die Innovationsökologie der Tabakfabrik sind wandelbare, lebendige Orte wie der Innenhof elementar, um Ideenprozesse anzustoßen. Natürlich ergibt die Begrünung des Areals nicht nur ökologisch, sondern wie beim New Yorker Vorbild des Central Parks auch ökonomisch Sinn. Für unsere aktuellen, aber auch für potenzielle neue Mieter*innen ist ein grünes Erholungsgebiet in unmittelbarer Nähe zum Arbeitsplatz ein attraktives Asset“, sagt Markus Eidenberger, kaufmännischer Direktor der Tabakfabrik Linz.
Quelle: Tabakfabrik Linz