Eine der wohl turbulentesten Sommer-Pausen in der Geschichte des weiß-blauen Münchner Traditionsvereins liegt hinter dem TSV von 1860 München. Nachdem man am 30. Mai 2017 mit Pump und Gloria die Liga gewechselt hatte – Abstieg nach 13jähriger ununterbrochener Zugehörigkeit aus der 2. Deutschen Bundesliga anhand eines 0 : 2 im Relegations-Rückspiel gegen den SSV Jahn Regensburg vor über 62.000 Zuschauern !!! in der ungeliebten Allianz-Arena – blieb an der Grünwalder Straße 114 wahrlich kein Stein auf dem anderen.
Zuerst verweigerte die DFL / Deutsche Fußball-Liga den „60gern“ die Spielberichteigung für die 3. Liga, da fehlende Sponsoren-Gelder für die Erteilung der nötigen Lizenz nicht nachweisbar waren. Dann wusste man nicht, in welcher Liga man nun überhaupt antreten könnte. Eine Mitgliederversammlung, bei der Klarheit über die weitere Vorgangsweise des jordanischen Gönners und Mäzen Hasan Ismaik erreicht werden sollte, wurde kurzerhand abgeblasen und zu all dem Überfluss hatte man auch keine geeignete Spielstätte.
Nun, die Löwen wären keine Löwen, wenn nicht Kampfeslust und Ausdauer ihr Wappentier prägen würde. Das Gros der Anhänger bevorzugt ohnehin seit Jahrzehnten eine Rückkehr ins alte „60ger Stadion“ auf „Giesings Höhen“. Das „Städtische Stadion an der Grünwalderstraße“ im Münchner Stadtteil Giesing ist jene Heimstätte, in der die Löwen ihre größten Erfolge verbuchen konnten. Mit dem sportlichen Durchmarsch während der Spielzeit 1993/94 – als Aufsteiger aus der Bayernliga ging es über die 2. Deutsche Bundesliga flugs hinauf in Liga 1 / der Wiener Peter Pacult (18 Treffer) und sein kongenialer Partner Bernhard Winkler (16 Tore) bombten die Löwen schier im Alleingang ins Oberhaus – wurde die alte Heimstätte, die damals noch gut und gerne aufgrund der großen Stehterrassen über 30.000 Zuschauern Platz bot, schlichtweg zu klein. Bundesligauntauglichkeit wurde dem geschichtsträchtigen Areal bereits damals attestiert. Man zog also ins Olympiastadion zu den Bayern, um sich in späterer Folge ab 2005/06 mit dem naturgemäß ungeliebten Stadt-Rivalen FC Bayern München erneut ein Stadion zu teilen, nämlich die Allianz-Arena.
Jedwedes Schlechte hat jedoch auch sein Gutes. Als nunmehriger Viertligist war es nur logisch, zurück zu den Wurzeln zu gehen. Ergo – heim nach Giesing! Und da man sich sehr rasch und auch gewinnbringend mit dem FC Bayern in der Form von Uli Hoeneß und dem gleichzeitigen unbürokratischen und ohne großartige Kosten verursachenden Auszug aus der Allianz-Arena einigen konnte, sind nun alle Beteiligten glücklich und zufrieden. Die Einen, da sie nun endlich ein Stadion für sich alleine haben, dieses in ihren Vereinsfarben Rot und Weiß gestalten können und die Anderen, die wieder einmal vor einem Neu-Anfang stehen und diesen nicht unbedingt mit einem riesengroßen Rucksack an Schulden beginnen können.
Der Himmel über 1860 erstrahlt nun endlich wieder hell in Weiß und Blau und auch „Der erste Schritt am Weg zurück“ verlief vielversprechend. Der erste Spieltag in der Regionalliga Bayern glückte – beim FC Memmingen konnte sich das komplett neuformierte Team um Trainer Daniel Bierofka mit 4 : 1 durchsetzen. Ein ewig nicht mehr verspürtes Glücksgefühl für alle Freunde der Münchner Weiß-Blauen.
Und so geht es also nun „nach Hause“, heim, ins altehrwürdige „60ger Stadion“.
Die Münchner „tz“ begab sich bereits im Vorfeld auf Spurensuche und bat Anrainer und Lokal-Besitzer zum Gespräch:
Wenn Elisabeth B. beispielsweise aus ihrem Wohnzimmerfenster blickt, dann sieht sie direkt auf das Stadion. Seit 1987 lebt die pensionierte Lehrerin in ihrer Altbauwohnung in München-Giesing. Bereits seinerzeit hatte die Anrainerin Spiele des TSV 1860 München verfolgt und erlebt. Dass dies nun wieder zur Normalität werden soll, stört die 69-Jährige in keinster Weise. „Bei uns ist eigentlich das ganze Haus dafür!“, schildert sie. Die Aufregung manch anderer Anwohner ist ihr unerklärlich. „Das ist doch lächerlich!“, meint sie. „Die Grünwalder Straße ist sowieso viel befahren und laut. Da stört ein Spiel am Wochenende auch nicht mehr.“
Überaus erfreut und begeistert von der Heimkehr der Löwen sind die Gastronomen rund um das Stadion. „Für uns ist das zu 100 Prozent positiv!“, sagt Amela Skrbo-Baur, Inhaberin der Wienerwald-Filiale an der Tegernseer Landstraße, und strahlt. Die Heimspiele an jedem zweiten Wochenende ließen den Umsatz nach oben schnellen, denn viele Löwen-Fans treffen sich vor und nach dem Spiel im Lokal zu Bier und Hendl. „An so einem Tag nehme ich gut das Fünffache ein“, freut sich Skrbo-Baur. Die 52-Jährige hat für den bevorstehenden Ansturm bereits weitere Mitarbeiter eingestellt. „Zum ersten Spiel sind wir dann perfekt vorbereitet.“
Auch die Brasilianerin Alice Völtl, die mit ihrem Gatten Robert das „Augustiner Stüberl“ betreibt, freut sich über die 1860-Rückkehr nach Giesing. „An Spieltagen wird die Kneipe bestimmt voll sein!“, sagt sie. Dass die Fans des TSV 1860 München hier eine neue Heimat finden werden, ist nicht zu übersehen. Bereits jetzt ist das Löwen-Logo allgegenwärtig. Auf einem Schal an der Wand prangt in riesigen Lettern „Dahoam in Giesing“. Dass Giesing die Heimat der 60ger sei, vernimmt man überall, wenn man sich im Grätzel umhört. Viele sagen auch, dass sie irgendwo ja spielen müssen, die Weiß-Blauen.
Vielen erscheint es einerlei, wenn die Löwen nun wieder im Grünwalder Stadion kicken. So wie Martin Sch. Der 65-Jährige wohnt bereits sehr lange in Giesing und erinnert sich zurück: „Die Sechziger waren nie die Schlimmen, sondern eher die Spiele der Regionalliga.“ Daher blickt der Pensionist dem Ganzen sehr entspannt entgegen. Abschließend meinte noch Elisabeth B, dass die Rückkehr der Löwen einen weiteren Vorteil mit sich bringt: Solange das Stadion bespielt wird, bestehe nicht mehr die Gefahr, dass es doch noch abgerissen werden könnte. „Ein neu gebautes Hochhaus würde uns nur die Sicht versperren!“, erläutert sie. „Und so kann ich weiterhin jeden Tag die Sonne hinter dem Stadion untergehen sehen.“
Start des Dauerkartenverkaufs
„Nachdem feststand, dass wir in der Regionalliga spielen, haben wir mit Hochdruck an einer Stadionlösung gearbeitet, die wirtschaftlich vertretbar und vernünftig ist. Das Ergebnis heißt Grünwalder Stadion. Wir freuen uns riesig auf die neue Spielzeit daheim in Giesing. Dort soll endlich wieder das im Fokus stehen, was Sechzig auszeichnet: Unsere Mannschaft, angeführt von Daniel Bierofka, die sich voll und ganz mit dem Verein identifiziert und auf dem Platz Vollgas gibt. Unsere Fans, die auf den Rängen für eine unbeschreibliche Unterstützung und Gänsehaut sorgen. Und der Zusammenhalt, den die ganze Löwen-Familie so stark macht!“, erklärt dazu der 1860-Geschäftsführer Markus Fauser.
Unter dem Motto „Giesing regional“ startete der Dauerkartenverkauf für das Grünwalder Stadion. „Die Telefone und E-Mail-Postfächer sind in der letzten Zeit bereits heiß gelaufen. Dieser Zuspruch freut uns riesig. Daniel Bierofka und sein Team haben sich diese Unterstützung absolut verdient.“, freut sich Fauser und appelliert im Zusammenhang mit der Rückkehr an die Grünwalder Straße an die Vernunft aller Fans: „Das Stadion liegt inmitten unserer Heimat, die wir alle lieben. Genauso verantwortungsvoll sollten wir damit umgehen. Denn wir wollen Sorge dafür tragen, dass die Belastung für unsere Nachbarn rund um das Stadion, sowie alle Anwohner Giesings vertretbar ist!“ Aus diesem Grund enthalten alle Tickets die Nutzung aller öffentlichen Verkehrsmittel im MVV-Gesamtnetz zur Hin- und Rückfahrt zum Stadion an den Spieltagen.
Riesengroße Euphorie
Die Kartennachfrage für den Neo-Viertligist ist gigantisch. „Nahezu alle Fans, die im letzten Jahr einen Stammplatz bei den Löwen hatten, möchten uns auch in diesem Jahr unterstützen!“, zeigt sich Löwen-Geschäftsführer Markus Fauser begeistert.
Und so blicken alle Beteiligten, Fans, Gönner, Anrainer und dergleichen gespannt dem ersten Heimauftritt gegen Wacker Burghausen am kommenden Freitag, 21. Juli 2017, Anpfiff: 18.60 Uhr, (19 Uhr) entgegen um live und vor Ort an alter Wirkungsstätte dabei zu sein, denn insgeheim hofft man natürlich schon, dass eine Rückkehr über kurz oder lang ins bezahlte Geschäft des Deutschen Klubfußballs wieder möglich ist. Denn jene langen Jahre, die man von 1982 bis 1991, sowie 1992/93 in der Bayernliga verbracht hatte, sollten sich wenn möglich nicht mehr wiederholen …
www.fupa.net/liga/regionalliga-bayern
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