Ein bunter Dschungel ist seit jeher ein Fan-Block. Dort tummeln sich Menschen aller Couleurs. Die wenigsten jedoch davon waren selbst aktive Fußballspieler. Fußball-Fan zu sein, gibt niemandem das Recht, die sportlichen Akteure auf das übelste zu beschimpfen. Das ist ein Faktum. Es wäre wünschenswert, wenn man sich das immer wieder selbst vor Augen führt. Im Bild der Sektor 3 im Linzer Stadion auf der Gugl es Jahres 1980 bei einem Heimspiel des SK VÖEST Linz. Foto: oepb
Ein bunter Dschungel ist seit jeher ein Fan-Block. Dort tummeln sich Menschen aller Couleurs. Die wenigsten jedoch davon waren selbst aktive Fußballspieler. Fußball-Fan zu sein, gibt niemandem das Recht, die sportlichen Akteure auf das übelste zu beschimpfen. Das ist ein Faktum. Es wäre wünschenswert, wenn man sich das immer wieder selbst vor Augen führt. Im Bild der Sektor 3 im Linzer Stadion auf der Gugl des Jahres 1980 bei einem Heimspiel des SK VÖEST Linz. Foto: oepb

„Da gebe ich Dir vollkommen recht, aber hast Du jemals Fußball gespielt?“, so ein herrliches und heute schon ein bisserl romantisch klingendes Zitat von Hans-Dieter Mirnegg, seines Zeichens Trainer des FC Blau-Weiß Linz in der Regionalliga Mitte-Saison 2004/05.

Was war geschehen? Die Linzer Blau-Weißen, die mit dem Marketing-Gag „Wir wollen es wissen!“ im Sommer 2004 angetreten waren, nicht nur die Regionalliga zu bestimmen, sondern am Ende der Spielzeit auch in die 2. Österreichische Bundesliga aufzusteigen, schlitterten mehr schlecht als recht durch die Saison.

So kam es in der Winterpause zu einem sehr emotional geführten Mitgliederstammtisch in der Linzer Gastlichkeit, bei dem sich die für den sportlichen Bereich Verantwortlichen Gerald Perzy und eben Didi Mirnegg einer aufgebrachten Fan-Schar stellten. Geduldig hörten beide den teilweise verständlichen, teilweise unmissverständlichen Forderungen von gut 100 Fans zu. Beide, also Perzy und Mirnegg waren aktive Fußballer, wobei Dieter Mirnegg sogar Deutschland- und Italien-Legionär war und auch 15 mal den ÖFB-Teamdress trug.

Der Blau-Weiß Trainer brachte Verständnis für die Anhänger auf, versuchte auch, auf jeden einzelnen der vorgetragenen Vorwürfe näher einzugehen, begann seine Contras aber an jenem Abend mehrmals mit dem Satz: „Da gebe ich Dir vollkommen recht, aber hast Du jemals selbst auch professionell Fußball gespielt?“

Wir leben in einer Zeit, in der die Stadien voll sind. Bleiben wir bei Deutschland. Auch in Österreich freuen sich die Vereine über ein leichtes Zuschauer-Plus. Gibt das jedoch den Anhängern – wir möchten hier ganz bewusst den Begriff „Ultras“ canceln – auch das Recht, sich aktiv in die jeweilige Vereinspolitik einzumischen? Wo bitteschön steht geschrieben, dass das zahlende Fußvolk mit einem Erwerb der Eintrittskarte auch das Recht zur lautstarken Mitsprache hat?

An dieser Stelle haben wir noch sehr lebhaft eine Situation vor Augen, die sich am 4. April 2008 im Fritz Walter Stadion unmittelbar nach Spielschluss abgespielt hatte. Der 1. FC Kaiserslautern verlor sein Heimspiel gegen die TSG Hoffenheim mit 0 : 2 und steckte knöcheltief im Abstiegssumpf der 2. Deutschen Bundesliga. Kaiserslautern-Coach Milan Sasic versammelte sein Verlierer-Team vor der Heimkurve und wollte mit dieser Aktion seine Mannschaft wachrütteln. Seine Überlegung war dahingehend, seinen Kickern zu zeigen, dass sich gerade in der Pfalz alles ausschließlich nur um den 1. FCK dreht und ein etwaiger Abstieg den Leuten das Herz brechen und die Perspektive rauben würde. Die Überlegung zu dieser Aktion ging als Schuss nach hinten los, denn die Verlierer mussten die übelsten Schimpftiraden über sich ergehen lassen.

Stellen wir an dieser Stelle die Gegenfrage: Was geschieht, wenn beispielsweise ein Briefträger die Tageszeitung nicht pünktlich am gleichen Tag, sondern aufgrund von Dummheit, Faulheit, Trägheit oder warum auch immer erst am nächsten Tag zustellt? Wird er dann auf das übelste beflegelt, von einem Stürmer-Star, der am Tag nach seinem Hattrick noch einmal schwarz auf weiß über seine Heldentaten in der Tageszeitung lesen möchte? Wohl kaum. Oder schimpft man einen Filialleiter einer Supermarkt-Kette und bedroht diesen mit Leib und Leben, bloß weil knapp vor Torschluss die Milch in den Regalen ausgegangen war und diese aufgrund von Ausverkauftheit an jenem Tag nicht mehr nachgeteilt werden kann? Oder schickt man sich an, den Empfangschef des Lieblings-Restaurants tätlich anzugreifen, nur weil man selbst vergessen hatte, einen Tisch für einen romantischen Abend mit der Liebsten zu bestellen, als Stammgast dabei voraussetzte, immer einen Tisch zu bekommen und nun in der Gastlichkeit aufgrund der eigenen Vergesslichkeit kein Platz mehr frei ist?

Dies alles sind Beispiele von arbeitenden Menschen. Menschen, die die ganze Woche über hackeln und malochen, um sich am Wochenende dem Fußballplatz-Gehabe hingeben zu können. Auf der anderen Seite sind die Fußballspieler. Auch die trainieren eine Woche wie blöd und haben dann „nur“ 90 Minuten Zeit, eine Top-Leistung abliefern zu können. Wenn diese nicht gelingt – aus welchen Gründen auch immer – dann kann eine Woche schon einmal lang werden, um etwaige Fehler am Spieltag darauf wieder ausbügeln zu können.

Der langjährige SK RAPID Wien-Funktionär Heinz Holzbach meinte einst in seiner bodenständigen Wiener Art, dass seiner Ansicht nach „der Fan lediglich dazu da ist, sein Eintrittsgeld an der Kasse abzuliefern. Alles andere hat den Fan nicht zu interessieren.“ Dies klang zwar hart, hat aber andererseits auch insofern Gewicht, denn es ist schier unmöglich tausende Meinungen unter einen Hut zu bringen. Das Wichtigste ist der Verein, genau genommen geht es nur um den. Die Fußballspieler sind Angestellte des Klubs, für den sie ihre Leistungen bringen. Teilweise natürlich auch für gutes Geld. Bloß verliert niemand gerne und bewusst. Manchmal ist es aber so, dass bei elf Kickern drei ihre Leistung nicht bringen. Wenn es sich dann auch noch um Leistungsträger handelt, besteht die Gefahr, dass diese ihre Mitspieler anstecken. Und schon bist du 0 : 1 zurück, rennst an wie ein Idiot, bist verunsichert, weil du an die schimpfende Kurve danach denkst und triffst das leere Tor nicht. Fußball ist so einfach, aber auch so menschlich.

Ein Königreich für einen Psychologen!

Der 1. FC Nürnberg steckt derzeit mitten drin im Abstiegsstrudel in der 2. Deutschen Fußball-Bundesliga. Letzte Woche setzte es zu Hause eine verdiente 0 : 2 Heimniederlage gegen den SV Wehen Wiesbaden. Gut, man muss auch dazu sagen, dass der Ex-ÖFB-Teamkeeper Heinz Lindner im Tor der Wiesbadener eine überdurchschnittlich gute Leistung bot, doch als man nach dem Spiel sah, wie sich Neo-Trainer Jens Keller den „Ultras Nürnberg“ zur Diskussion stellte, stellte man sehr bald fest, dass dies alles kein Dialog, sondern ein Monolog war. Keller hörte sich geduldig die aufgebrachten Argumente teils bierbäuchiger Fußballplatz-Besucher an und sein nicht vorhandenes Mienenspiel verriet, dass er froh wäre, wenn dieser Kelch an ihm vorüber ist. Gedanklich war Keller bei der Spielaufarbeitung und seinem Team, denn dass es in Nürnberg einmal mehr 12.15 Uhr ist, das weiß der neue Trainer wohl selbst am besten.

Ein anderer Schauplatz war im Herbst 2006 das Ing. Gerhard Hanappi-Stadion zu Wien-Hütteldorf. RAPID war in den Tabellenkeller geschlittert und die Anhänger stürmten – wann machen die das dort eigentlich nicht? – den Platz. Herrlich dabei zu beobachten war der stoisch in sich ruhende Sportdirektor Peter Schöttel, der jugendlichen Miniatur-Fußballfans, die sich mit den Worten „Wir sind RAPID und wer bist Du?“ vor dem 436 Bundesliga-Spiele für RAPID-Mann aufpflanzten, lediglich entgegnete, dass sich manche Anhänger-Gruppen viel zu wichtig nehmen. Das saß, so ein einfacher Satz, aber herrlich punktgenau platziert.

Der Verfasser dieser Zeilen ist selbst glühender Fußballfan. Seit Jahrzehnten. Früher aktiver denn heute, aber derzeit immer noch als stiller und ein wenig nostalgisch veranlagter Beobachter. Genau genommen gab es nichts, was er in seiner Fußballfan-Laufbahn nicht auch selbst erlebt hatte, entstammt er eben auch noch einer Zeit, in der Stehplätze noch unüberdachte Stehplätze waren, in der noch Lederjacken und Jeans-Kutten mit Aufnähern regierten, in der noch die eigenen Stimmbänder für die Stadion-Stimmung ausreichten und ein Megaphon absolut unnötig war, und in der Stadionverbote völlig unbekannt waren. Blödheiten machte jede Generation, aber ein gewisses Maß an Respekt und Achtung dem Pendant gegenüber MUSS immer gewahrt bleiben. Der Verein ist das Wichtigste, aber auch die Kultur und der Auftritt nach außen hin, denn es ist doch genauso genommen völlig wurscht, in welcher Liga man seinen Lieblingsklub anfeuert, entscheidend ist, dass der Verein besteht und lebt, nur darum geht es.

Der höfliche und freundliche Umgang untereinander ist durch die modernen Medien völlig flöten gegangen. Früher wurde lediglich am Stammtisch gejammert und das dabei Hinausposaunte erreichte nur eine kleine Minderheit. Heute maßt sich jeder an – ob Totengräber, Installateur, Fleischhacker, Arbeitsloser, Schneebrunzer, etc. – teilweise der Deutschen Sprache nicht einmal mächtig, und kommentiert jeden Schwachsinn im Internet. Daraus entwickeln sich ganz Diskussionen, die die Leute bei Lust und Laune halten, im Grunde genommen aber zu nichts führen. Wenn wir uns alle unserer hoffentlich vorhandenen Kinderstuben entsinnen, dann ist ein ordentlicher, gepflegter und auch wertvoller Umgang untereinander – in jedem Bereich der Gesellschaft, nicht nur beim Fußballsport – wieder möglich. Denn ein alter Slogan sollte auch im 21. Jahrhundert noch Gültigkeit besitzen: „Mit dem Hute in der Hand kommst Du durch das ganze Land!“ Höflichkeit, Verständnis, Achtung, Wertschätzung dem Mitmensch gegenüber, das kann doch wirklich nicht zuviel verlangt sein!

Quelle: oepb

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