Bernhard Carl Trautmann (* 22.10.1923 in Bremen / Deutschland, † 19.07.2013 in Valencia / Spanien) ist 9 Jahre alt, als die Nationalsozialisten 1933 in Deutschland an die Macht gelangen. Der sportlich mehr als nur begabte Knabe avanciert bereits in jungen Jahren zum fanatischen Anhänger der neuen Zeit, der Diktatur. Er meldet sich freiwillig zur HJ (Hitlerjugend) und später, als 17jähriger Fallschirmjäger, zur Bekämpfung der Partisanen an die russische Front im Osten. Erst als er gefangen genommen wird und in britische Kriegsgefangenschaft gesteckt wird, ist für ihn nicht nur der Zweite Weltkrieg (1939 bis 1945) vorbei, sondern in ihm setzt auch ein Umdenkprozess ein. In England erlebt „Bert“ die Offenheit und die Toleranz der Menschen, die in einem demokratischen System leben und darüber hinaus auch noch bereit sind, ehemaligen Feinden und erbitterten Kriegs-Gegnern zu verzeihen. Als in späterer Folge sein überragendes Talent als „Goalkeeper“ (Torhüter) erkannt wird, gewinnt er sehr rasch sämtliche Sympathien der Fans.
Der im Juli 2013 knapp 90jährig verstorbene Torhüter Bernd „Bert“ Trautmann war in Deutschland kaum bekannt, in England dafür umso mehr. Als Vollprofi in Diensten bei Manchester City wurde er in der Nachkriegszeit zu einer bis in die heutige Zeit unvergessenen Legende. Bei „The Citizens“, wie Manchester City auch gerne genannt wird, wurde der Deutsche „Kraut“ zum absoluten Liebling. Zuerst liefen die Anhänger dagegen Sturm, wie man einen „Nazi“ wie ihn nur verpflichten könne, dann flogen ihm sämtliche Sympathien wie im Sturme zu, ob seiner überragenden Leistungen als Torhüter. Trautmann entwickelte sich, zu einem der weltbesten Torhüter der damaligen Jahre. Anno 1956 wählte man ihn zum englischen „Fußballer des Jahres“. Sein mutiges Herauslaufen und sich stets in den Schuss oder die Beine der jeweiligen Angreifer zu stürzen, war beliebt und kam natürlich an auf der Insel. Seine Hände galten als magnetisch, denn selbst aus kürzesten Distanzen wehrte er oftmals reflexartig noch so manch scharfe Kugel ab. Absolut unsterblich wurde Trautmann anlässlich des FA Cupfinales 1956 in London. Im Wembley Stadion traf er mit Manchester City auf Birmingham City. Das Finale steht in der 75. Spielminute. Trautmann wirft sich einmal mehr in eine Hereingabe vor dem „kleinen Strafraum“. Birminghams Stürmer Peter Murphy trifft Trautmann am Fünfmeterraum mit dem Knie im Nacken. „Die Schmerzen waren unerträglich.“, so der Keeper nach dem Spiel anhand eines Interviews. Es durfte damals noch nicht gewechselt werden, Trautmann hielt bis zum Spielschluss durch, hält seinen Kasten rein und „Man City“ gewinnt mit 3 : 1. Er, der „Kraut“ aus Nazi-Deutschland, wurde zum „Man of the Match“ gewählt.
Eine Röntgenuntersuchung nach dem Spiel führte unbarmherzig zu Tage, dass der Zusammenprall mit Murphy einen Genickbruch nach sich zog, sowie weitere 5 Halswirbel ausgerenkt waren. Diese Verletzung hätte tödlich für Trautmann enden können, ja sogar beinahe sein müssen. Ein knappes halbes Jahr war er von den Hüften aufwärts bis zum Kopf eingegipst.
Bis 1964 sollte er noch für Manchester City im Tor aktiv sein. Geschätzte 60.000 Zuschauer wohnten seinem Abschiedsspiel an der Maine Road bei. Er hatte sie alle gewonnen – die Massen. Zuerst wurde er ob seiner Nazi-Herkunft angefeindet und gehasst, dann geliebt. Der Jubel im Stadion für den Mann aus Deutschland aus Anlass seiner letzten Partie war unbeschreiblich.
Trautmann blieb vorerst in England und agierte bei der Fußball-Weltmeisterschaft 1966 als Attaché. Anlässlich der Europameisterschaft 1996 gehörte er der DFB-Delegation an. Dazwischen lagen Wander-Jahre in Burma, Tansania, Liberia, Pakistan, Jemen und Malta. 1991 zog er sich nach Spanien, nördlich von Valencia zurück. Er hielt jedoch England die Treue und besuchte mehrmals pro Jahr Heimspiele von Manchester City. Die Leute hatten ihn nie vergessen, wollten Fotos und sprachen ihn auf der Straße an. Er gab anhand eines Interviews folgendes Statement ab:
„Meine Erziehung begann mit jenem Tag, als ich in England angekommen bin. Die Menschen dort waren sehr nett und anständig und sahen in mir keinen Kriegsgefangenen, sie sahen in mir ein menschliches Wesen. Die Briten formten mich zu dem, was ich dann letzten Endes geworden bin. Ja, ich komme mehrmals im Jahr zurück und denke mir dann immer: Toll, ich bin zu Hause!“
oepb-Rezension:
„Glückauf und Rote Erde. Gleich nach der Währungsreform in neuen Trikots; die Rückennummern ein Jahr später. Eppenhoff kam heim zu Schalke aus russischer Gefangenschaft; Trautmann blieb in Manchester.“ – so lautet ein Vers aus Jürgen Becker´s Gedicht „Schlömers Ballrückgaben“. Becker lebt und arbeitet als freier Schriftsteller in Deutschland.
Hermann Eppenhoff, dreimaliger Deutscher Meister mit dem FC Schalke 04 war ein Begriff, aber wer um alles in der Welt ist Trautmann? Ein Grund mehr also, auf dieses Buch, welches bereits 2013 uraufgelegt wurde und 2018 vor der 2. Auflage stand, näher zu betrachten. Und eines bitte gleich vorweg – die Story ist spannend und fesselnd zugleich von Anbeginn an. Die Tatsachen-Geschichte liest sich wie ein Roman und die kleinen grauen Zellen werden immer wieder zur Phantasie angeregt. Man versetzt sich als Leser hinein in die Welt des Protagonisten Bernd Trautmann, der als Fußballspieler, als Torhüter während der schwierigen Zeit der Nachkriegsjahre wohl einer der Allerersten war, der zur Völkerverständigung und zur langsamen Wiederanfreundung zwischen England und Deutschland seinen ganz wesentlich Teil dazu beitrug. Einer der als Fremder und Feind gekommen war, um ein wahrer Freund zu werden und zu bleiben.
Wie konnte er mit diesem Lebenslauf zu einem englischen Fußballidol werden, der bis zu seinem Tod im Juli 2013 auf Manchesters Straßen erkannt und verehrt wurde? Die englische Historikerin und BBC-Autorin Catrine Clay hat diese denkwürdige Karriere in Zusammenarbeit mit Bert Trautmann sorgsam recherchiert. Ihr gelingt ein aufschlussreicher Blick auf eine typische Jugend im Nationalsozialismus, auf hautnahe Kriegserfahrung und persönliche Lernprozesse in englischer Kriegsgefangenschaft. Am Ende steht der Wille zur Versöhnung. Und eine weitere existentielle Erfahrung, die Trautmann zur Fußballlegende werden lässt: Der seinerzeit vielleicht weltbeste Torhüter erleidet im englischen Pokalfinale einen Genickbruch, spielt aber unter Lebensgefahr weiter und sichert seinem Verein Manchester City den Titel. In den englischen Fußballannalen ist das bis heute unvergessen.
Das Buch ist für jedwede Lesegattung empfehlenswert: für Lesekreise, die Fußballfans sind und auch für jene Leserratten, die zwar mit der Welt des runden Leders wenig anzufangen wissen, dennoch aber eintauchen möchten in diese Welt, die für so viele die schönste Nebensache des Seins bedeutet. Die Lebens-Story von Bernd Trautmann in derartig einfühlsamer Art und Weise niederzuschreiben, dies gelang der Autorin Catrine Clay wahrhaft vorzüglich.
Übrigens – unter dem Filmtitel „Trautmann – Er kam als Feind … und wurde ihr Held“ wurde ein Spielfilm für das Kino gedreht. Der Filmstart in Deutschland war am 14. März 2019.
Der Film wurde auch im ORF gezeigt und das just zu einer Zeit, in der die „Tree Lions“ die „Schwarzen Adler“ nicht nur aus Wembley, sondern auch aus dem EM-Bewerb 2020 gekickt haben.
Trautmanns Weg
Vom Hitlerjungen zur englischen Fußball-Legende
von Catrine Clay
304 Seiten, gebunden, mit Lese-Bändchen und Schutzumschlag
zahlreich bebildert
zum Preis von € 22,00 (Deutschland)
ISBN 978-3-7307-0445-7
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