„Wels, die Einkaufsstadt – die wirklich alles und für jeden hat!“ – so lautete ein musikalischer Hörfunk-Werbe-Slogan der zweitgrößten Stadt Oberösterreichs, nämlich Wels, in den frühen 1980er Jahren. Man wollte, was den Fußballsport anlangt, in der achtgrößten Stadt Österreichs im Konzert der ganz Großen um jeden Preis vorne mit dabei sein und fiel im Endeffekt doch gehörig auf die Nase. Das Kapitel Profi-Fußball endete in Wels nach einem eineinhalb-jährigen Bundesliga-Intermezzo am 31. Jänner 1984. Aktive wie Dietmar Constantini, Werner Hebenstreit, Hans Dieter Mirnegg und andere standen somit quasi über Nacht ohne Arbeitgeber da.
Zur Geschichte:
Wie für so viele andere Fußball-Vereine auch schlug für den FC Union Wels die Geburtsstunde nach dem Zweiten Weltkrieg. 1946 wurde der Verein in Wels aus der Taufe gehoben. In den ersten 25 Jahren spielte das Team in Oberösterreich lediglich eine untergeordnete Rolle. Erst im Jahre 1971 gelang der Aufstieg in die 2. OÖ-Landesliga. Von da an sollte es aber steil bergauf gehen und ein echter Durchmarsch vom Unter- bis ins Oberhaus setzte unaufhaltsam ein:
1973: Aufstieg in die 1. OÖ-Landesliga;
1976: Meister von Oberösterreich und gleichzeitiger Landes-Cup-Sieger;
1977: abermals Meister von Oberösterreich;
1979: Landes-Cup-Sieger und OÖ-Vize-Meister hinter dem SK Vorwärts Steyr;
1980: neuerlich Meister der 1. OÖ-Landesliga und gleichzeitiger Aufstieg in die 2. Division, der zweithöchsten Spielklasse Österreichs;
1982: Qualifikation als Sechstplatzierter der 2. Liga für die aufgestockte 16er Liga der 1. Division.
31. Jänner 1984: Schlusspfiff im 38. Bestandjahr. Der Profi-Fußball fand in Wels ebenso sein jähes Ende, wie er zuvor kometenhaft aufgestiegen war …
In Oberösterreich gibt es seit ewigen Zeiten den LASK. Die Linzer Schwarz-Weißen, gegründet im Jahre 1908, gelten als Traditions-Verein und trotzten im Laufe ihrer bewegten Geschichte so manchem sportlichen wie wirtschaftlichen Sturm. Im Dunstkreis der „Linzer Landstraßler“ siedelten sich jedoch auch immer wieder Stadt- und Landes-Rivalen an, die bei näherer Betrachtung im Laufe der Jahrzehnte allerdings allesamt auch wieder verschwunden sind. Bot die einstige Sparta-, spätere Stickstoff-Truppe – als SV Chemie Linz 1989 aufgelöst – dem LASK in den 1950er und 1960er Jahren die Stirn, so tat dies der heute ebenso nicht mehr existente SK VÖEST Linz in den Jahren von 1969 bis 1997. Mit dem SK Vorwärts Steyr – bei der Gründung der Staatsliga A 1949/50 als erster oberösterreichischer Vertreter mit von der Partie – kam allerdings ein Rivale auf, den es einerseits heute noch gibt und der andererseits stets mit offenem Visier die Reise nach Linz zu den „Bruder-Kämpfen“ antrat. Die Geschichte der SV Ried begann ihren Lauf in Richtung Oberhaus erst anno 1991 und ist somit noch verhältnismäßig jung. Jene von Wels war jung – und blieb es auch …
Man blickte in Steyr neidvoll auf den Rivalen aus Wels, als dieser an den alten „Eisenstädtern“ in Windeseile vorbei zog. Vorwärts stieg nach nur einem Jahr Zugehörigkeit zur 2. Division im Sommer 1980 wieder ab, Union Wels brauste kometenhaft nach oben. Das Geld schien in Wels keine Rolle zu spielen und mit der Sponsortätigkeit einer großen Bank sollte ohnehin nur mehr Milch und Honig fließen. Fritz Zinnhobler, der auch für SV Austria Salzburg und den Wiener Sport-Club im Oberhaus aktiv war, sorgte als Torschützenkönig der 2. Division mit seinen 19 Volltreffern dafür, dass man nicht nur mit dem Abstieg nichts zu tun hatte, sondern die Spielzeit 1980/81 an der guten 5. Stelle der Tabelle – als Aufsteiger wohlgemerkt – abschloss. Und im Jahr darauf startete man unter Trainer Ing. Franz Kutil mit 4 Siegen. Die Pläne für einen künftigen Fußball-Erstligisten FC Union Raika Wels lagen somit griffbereit im Safe.
Und so sollte es geschehen – die Fußball-10er Liga hatte im Sommer 1982 nach nur 8 Jahren ausgedient, die Beletage wurde von 10 auf 16 Vereine aufgestockt und der FC Union Raika Wels gelangte als Sechster der 2. Liga ganz nach oben. Naturgemäß groß war der Jubel unter den Vereins-Verantwortlichen, denn nicht nur die oberösterreichischen Rivalen VÖEST und LASK mussten von nun an in Wels Station machen, man war heiß auf FK Austria Wien und SK Rapid Wien. Und die kamen auch allesamt. Am 25. September 1982 war der Union-Platz gegen den FK Austria Wien mit über 10.000 Zuschauern erstmals in seiner Geschichte ausverkauft. Die 1 : 2-Heimniederlage tat somit ein bisserl weniger weh. Die Rot-Weißen kämpften zwar das ganze Jahr hindurch gegen den Abstieg, retteten sich allerdings am letzten Spieltag mit einem 3 : 1-Triumph gegen den LASK. Da eine inferiore Vienna beim GAK in Graz sang- und klanglos mit 0 : 7 unter die Räder kam, konnten die Welser die Klasse halten – ein echter sportlicher Husarenritt.
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Im Jahr darauf baute man weiter auf Spieler aus der unmittelbaren Umgebung, vertraute allerdings weiterhin auch der Achse Zlatko Vugrin und Vlado Crnjak, die mit Zelimir Vidovic ergänzt wurde. Erfahrene Bundesliga-Kicker wie Günter Caha, Karl Kiesenebner, Didi Constantini, Dieter Mirnegg und Horst Baumgartner sollten die Jungen wie Paul Perstling, Franz Plojer oder Johannes Abfalterer führen. Abermals über 10.000 Zuschauer bevölkerten am 27. August 1983 den Union-Platz, diesmal gab es gegen Rapid ein 2 : 2-Remis, wobei die Welser bis zur 80. Minute mit 2 : 0 in Front lagen (siehe bitte das Video). Überhaupt verlief dieser Herbst 1983 sportlich besser, als jener im Jahr zuvor. Doch bereits im September tauchten die ersten Gerüchte auf, dass Wels zahlungsunfähig sein soll. Dies rief wiederum die Anhänger auf den Plan, die bei den Heimspielen mit riesigen Transparenten Spenden-Aufrufe veranstalteten. Und auch die Aktiven tauchten plötzlich mit einer Linzer Telefon-Nummer auf der Dress – das Banken-Logo wurde kurzerhand überklebt – auf, anhand dieser man „einzahlen“ und somit „spenden“ konnte. Es half freilich alles nichts und selbst die Winterpause brachte keine erfreulicheren Nachrichten in dieser Richtung.
Am Dienstag, 31. Jänner 1984, trudelte beispielsweise bei Hans-Dieter Mirnegg die Kündigung ein, so wie bei sämtlichen anderen Aktiven auch. Die Fußballer des FC Union (Raika) Wels hatten sich über Nacht in Schall und Rauch aufgelöst, man hatte sich schlichtweg übernommen und konnte den laufenden Spielbetrieb nicht mehr gewährleisten. Ein bisheriges Novum im Österreichischen Spitzen-Fußball. Wels war im Herbst 1983 tabellarisch 10. – von 16 Teams – geworden, erkämpfte 14 Zähler (bei 2-Punkte-Regel für den Sieg) in 16 Runden und auch die Tor-Differenz von 22 : 27 war gar nicht einmal so schlecht.
Ein Großteil der Spieler kam rasch unter – Mirnegg beim SK VÖEST, Constantini und Abfalterer beim Wiener Sport-Club, Paul Perstling bei Vorwärts Steyr, Vidovic beim GAK, Vugrin wechselte zu Admira/Wacker, Crnjak zu DSV Alpine Donawitz, Keeper Hubert Wimmer wechselte zum LASK, Werner Hebenstreit zu Wacker Innsbruck, etc.
Die Österreichische Fußball-Bundesliga war nun gefragt, mit dieser bisher noch nie dagewesenen Situation richtig umzugehen. Nun, die Lösung war rasch parat – sämtliche Frühjahrs-Partien endeten mit 3 : 0 an Toren und 2 : 0 an Punkten für die jeweiligen Gegner am „grünen Tisch“. Was wiederum zur Folge hatte, dass der absolute Prügelknabe in jenem Jahr, der SC Neusiedl, zu seinem ersten vollen und auch einzigen Erfolg kam – am grünen Tisch und ohne Match wohlgemerkt.
Überhaupt bleibt Oberösterreich bis heute der Vereins-Friedhof schlechthin. Neben Union Wels verschwand der bereits erwähnte SK VÖEST Linz, Chemie, der SV Braunau und auch Vorwärts Steyr von der Bildfläche. Vorwärts startete jedoch von ganz unten kommend neu durch und agierte ab 2018 wieder in der 2. Bundesliga, aus der man erst 2023 wieder absteigen musste. Alle anderen Vereine sind lediglich in den Gedanken ihrer einstigen Anhänger noch allgegenwärtig. Beispiele eben, dass kaufmännische Grossmannssucht in einem nicht gerade von Fußball-Besessenen regierten Lande Österreich meistens als Eigentor ins Nirvana führen kann.
Übrigens, der spätere und langjährige Sportdirektor des ÖFB, Willibald “Willi” Ruttensteiner war ebenso 1982/83 im Oberhaus für die Welser aktiv.
Quelle: Redaktion www.oepb.at
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