Und wieder verließ eine große österreichische Fußballer-Persönlichkeit diese irdische Welt. Am 24. Dezember 2019 verstarb 88-jährig Walter Horak (geb. am 1. Juni 1931) in Wien, der seit Taferlklasse-Zeiten auf den Namen „Maxl“ hörte. Der eigentliche Vorname „Walter“ jedoch, der stand bei ihm lediglich im Taufschein, er war seit den späten 1930er Jahren der Maxl und blieb dies natürlich auch bis zuletzt.
„Ich wurde damals in der 1. Schulklasse zum Max umbenannt, weil ein Busenfreund von mir Moritz hieß. Dies prägte sich ein. Wenn später jemand zu mir auf der Straße „Walter“ rief, dann drehte ich mich nicht einmal um, völlig egal, um wen es sich dabei gehandelt hatte.“, so Walter – Pardon – Max Horak in seinen Erinnerungen.
Durchbruch beim Wiener Sport-Club
Über den SC Marchegg, den FC Stadlau und den SC Leopoldsdorf kam er mit 22 Jahren im Sommer 1953 zum Wiener Sport-Club. Bei den Dornbachern aus Wien XVII sollte er seine besten Fußballer-Jahre verbringen. Der groß gewachsene – mit dem urtypischen Wiener Familiennamen – Horak galt als bulliger Stürmer mit einem Hauch an Gesunder Härte ausgestattet: „Ja, ich war da vorne im Angriff ein Brecher und anhand zahlreicher Zweikämpfe kam es mitunter schon auch vor, dass der eine oder andere Verteidiger mit der Bahre vom Feld getragen wurde. Aber als unfair möchte ich mich nicht bezeichnen, schließlich musste der Gegner ja verhindern, dass mir Tore gelingen.“
Zahlreiche Tore eines Vollblut-Stürmers
Und die gelangen ihm und zwar reihenweise. 32 Volltreffer beispielsweise in der Spielzeit 1957/58, bei 26 Ligaspielen wohlgemerkt. Überhaupt war der Wiener Sport-Club damals am absoluten Zenit seines Daseins. Zwei Meisterschaften in Serie – 1957/58, sowie 1958/59 – konnten die Dornbacher gewinnen und auch im dritten Jahr, 1959/60, waren die Schwarz-Weißen bis zum Schluss vorne mit dabei, ehe am Ende die Vize-Meisterschaft für den WSC zu Buche stand. Auch galten die Hernalser als echte Torfabrik – 100 Volltreffer 1957/58 und deren sogar 104 1958/59. Jahre später dazu Max Horak: „Ich möchte unseren Fußball von damals nicht mit jenem in der heutigen Zeit vergleichen. Ein einstiger Kicker soll nicht sagen, dass wir früher alle besser waren. Aber eines möchte ich schon hervorheben – wir schossen einfach besser und hatten unsere Chancen todsicherer verwertet. Das war die ganze Kunst dabei.“
Wenn der Abend davor nicht gewesen wäre
Fußball-Frühschoppen waren nicht das Seine. Wenn der Sport-Club zur Sonntag Vormittags-Matinee in Dornbach antrat, dann war er es, der Maxl, der in der ersten Halbzeit lediglich Staffage und ein Mitläufer war. Nach dem Seitenwechsel aber, da blühte er stets förmlich auf. Böse Zungen behaupteten dabei, dass in der ersten Hälfte erst das süße Heurigen-Leben vom Samstag Abend zum Vorschein treten musste. Nachdem sich Horak übergeben hatte, lief er in Hälfte Zwei zu einer spielerischen Höchstform auf.
Stets leiwand mit den Trainern
Und auch in Sachen Trainer hatte er stets eine Menge Bonmots parat. „Der Karl Decker war für mich im taktischen Bereich der schwächste Trainer aller Zeiten. Wir Spieler hatten uns die jeweilige Taktik ausbaldowert, denn ihn kümmerte das ohnehin nicht. Der Pesser Hans, der war für mich der beste Trainer aller Zeiten.“ Und dies ist auch kein Wunder, denn unter Johann Pesser legte der Wiener Sport-Club vom 17. Juni 1957 bis 12. September 1959 eine Meisterschafts-Serie von 43 Siegen, 11 Unentschieden bei lediglich einer Niederlage hin.
Der WSC schießt Juve aus dem Prater
In jene Ära fiel auch die absolute Sternstunde des Wiener SC. Im Europapokal der Landesmeister traten die Dornbacher am 1. Oktober 1958 im Wiener Praterstadion zum Rückspiel gegen Juventus Turin an. „Juve“ hatte das Hinspiel mit 3 : 1 gewonnen. 34.000 Zuschauer schlenderten dennoch erwartungsfroh in den Prater, denn an einem guten Tag wäre ihr WSC der „großen, alten Dame“ aus Turin zumindest ebenbürtig. Was dann geschah, das war und ist eine Sternstunde, die auch heute noch schier unglaubwürdig wirkt. Mit 7 : 0 fegte der Wiener Sport-Club-Angriffswirbel über Juventus Turin hinweg. Bereits zur Halbzeit mit 3 : 0 waren die Fronten geklärt, die zweite Spielhälfte glich einer Kür, die diesen heroischen WSC-Triumph für alle Ewigkeit wahr werden ließ. Maxl Horak ging als Torschütze an diesem Abend zwar leer aus, dennoch ist und bleibt gerade auch sein Name – neben dem vierfachen Torschützen Josef „Pepi“ Hamerl und dem zweifachen Vollstrecker Erich Hof – untrennbar mit diesem Erfolg verbunden.
xxxxxxxxxxxxxxxx
Mit dem Wiener Sport-Club in alle Welt
„Wir bereisten mit dem Sport-Club damals aller Herren Länder. 70 Auslandspartien pro Jahr waren keine Seltenheit. Dabei waren wir oft wochenlang unterwegs. Hongkong, Saigon, Hanoi, Bangkok, Bombay. Unglaublich war das, umso mehr, da ich nebenbei auch noch auf dem Wiener Naschmarkt als Exporteur gearbeitet hatte.“, so Max Horak. Aber er hatte stets das Glück, auf Vorgesetzte zu treffen, die dem Fußballsport gewogen waren. Und auch die Franzosen waren von ihm angetan.
Über Meidling, Graz und den Prater nach Frankreich
Nachdem er beim WSC so ziemlich alles gewonnen hatte, was es zu gewinnen gab – Meisterschaft, Torjäger-Kanone – heuerte Horak im Sommer 1959 in Meidling beim SC Wacker Wien an. Von dort ging es ein Jahr später weiter nach Graz zum GAK. Wieder zurück in Wien hieß im Sommer 1961 seine nächste Station FK Austria Wien. Doch auch dort hielt es ihn nicht lange, wechselte er doch noch während der Herbst-Saison weiter nach Frankreich. Der FC Sochaux, sowie Racing Club Paris hießen seine Stationen im Ausland. „Ich beziehe noch heute vom französischen Verband eine Spielerpension!“, erzählte er 2010 voller Stolz, denn die Franzosen waren von dem baumlangen Wiener und seinem Fußballspiel sehr angetan.
Karriere-Kehraus in Österreich
Nach einigen Jahren beim 1. Schwechater SC, sowie beim SK Austria Klagenfurt, ließ Horak in den späten 1960er Jahren seine Fußballer-Laufbahn im Wiener Unterhaus bei Ostbahn XI, dem Brigittenauer AC, sowie bei Rudolfshügel ausklingen. Aber Trainer, das wollte er nicht werden.
Chefportier im Fürstenhof
„Hallo … Hotel Sacher – Portier!“ – frei nach Fritz Eckhardt als Chefportier Huber in der gleichlautenden ORF-Fernsehserie – so ähnlich verlief nun die Karriere nach der Karriere von Maxl Horak. Jahrelang war er als Portier im Hotel Fürstenhof aktiv. Und er war ein Portier vom Scheitel bis zur Sohle, der einst auch schon einmal einen Einbrecher dingfest machen und bis zum Eintreffen der Polizei festhalten konnte. Aber auch aus diesen Jahren sind herrliche Anekdoten überliefert.
Wie zum Beispiel jene: Der österreichische Fußball-Teamchef der Jahre 1968 bis 1975 Leopold Stastny, gebürtig und wohnhaft in Pressburg (Bratislava) residierte in Wien stets im Fürstenhof. Dort wurde er von Maxl Horak stets freudestrahlend begrüßt. Der Schmäh lief von da an. Beim Mohnnudelessen – Leopold Stastny, Josef Hamerl, Erich Hof, August Starek und Maxl Horak sitzen bei Tisch – setzt „Der Alte“, den sie auch gerne als den „Weißen Riesen“ titulierten, Stastny, mit einer seiner zahlreichen Weisheiten an: „Also wie ich in die Schule gegangen bin …“ – „Ha“, unterbricht ihn sogleich Horak: „Wie Sie zur Schule gegangen sind, da war Amerika doch noch auf keiner Landkarte verzeichnet!“ Der Tisch bog sich vor Lachen. „Apropos Essen“, lief Maxl Horak zur absoluten Höchstform auf. „Passen S´ bitte auf, wenn S´ bei einem Friedhof vorbeikommen. So langsam wie Sie sich bewegen, binden sich die Würmer schon die Servietten um!“ Helles Gelächter, auf beiden Seiten.
Aber auch der „Weiße Riese“ bewies Humor. Eines schönen Tages macht Stastny am Weg ins Hotel ein leichtes Wiener Mädchen schöne Augen. „Kommst Du mit, blonder Prinz?“, flötet sie ihn an. Sagt er: „Es ist schon zu spät!“ Erwidert sie: „Warum, es ist doch erst 22 Uhr!“ Darauf er: „Es ist leider um 20 Jahre zu spät!“
Nach seiner Teamchef-Ära begründete „Der Alte“ Leopold Stastny 1976 die Fußball-Schülerliga. Er lebte in jenen Jahren zwar längst bei seiner Tochter in Canada, aber einmal im Jahr zum großen Schülerliga-Finale bereiste er Wien. Es war für den „Weißen Riesen“ geradezu selbstverständlich, sein Quartier im Hotel Fürstenhof aufzuschlagen, denn dort wartete bereits in der Portier-Loge freudig strahlend der Maxl Horak zum immer wiederkehrenden Schmäh führen …
Walter „Maxl“ Horak ist – so wie „Der weiße Riese“ Leopold Stastny und zahlreiche andere Granden des Österreichischen Fußballsports – nicht mehr. Bleiben werden die Erinnerungen. An ihn und an große Zeiten im österreichischen Fußballsport. Zeiten, die wahrlich nie mehr wieder kommen werden. Jene Nachkriegs-Generation bewies nicht nur Geschick am und im Wiederaufbau Österreichs, der sprichwörtliche „Wiener Hamur“ kam dabei auch nie zu kurz und wurde von allen Beteiligten gelebt, selbst, als die Zeiten noch so schlecht waren.
Quelle: oepb