Bild diatologen.atEs ist eigentlich kaum zu glauben und doch wahr: Je nach Grunderkrankung sind bis zu 60 Prozent der Patienten in Krankenhäusern mangelernährt. Mögliche Folgen daraus: Komplikationen, höhere Pflegebedürftigkeit, verminderte Lebensqualität. Mit Screening und ernährungstherapeutischen Interventionen könnten viele davon vermieden werden, ist man beim Verband der Ideologen Österreichs überzeugt. Generell wünscht sich der Verband, dass Diaetologinnen und Diaetologen in die Behandlung von schwer kranken Menschen häufiger miteinbezogen werden. Was sie für diese Patienten leisten können und welche neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse es dazu gibt, ist Thema des unter dem Motto „INTENSIV DIAETOLOGISCH BETREUT“ stattfindenden Ernährungskongresses am 10. und 11. März 2016.

Der Berufsverband der Diaetologen wird heuer 55 Jahre alt. Gerade in den letzten Jahren hat der Beruf eine ziemliche Aufwertung erfahren. Aus „DiätassistentInnen“ wurden Diaetologinnen und Diaetologen, die Ausbildung findet auf Fachhochschulen statt und schließt mit dem Bachelor of Science und einer gesetzlich anerkannten Berufsberechtigung ab. Diaetologinnen und Diaetologen sind die einzige Berufsgruppe (außer den Ärzten), die sowohl gesunde als auch kranke Menschen ernährungstherapeutisch behandeln darf. „Der Nutzen von ernährungstherapeutischen Interventionen – gerade bei kranken Menschen – ist längst wissenschaftlich nachgewiesen. Auch aus volkswirtschaftlicher Sicht bringt die Ernährungstherapie Vorteile.“, erläutert Prof.in Andrea Hofbauer, Präsidentin des Verbandes der Diaetologen Österreichs. Und sie ergänzt: „Wir Diaetologinnen und Diaetologen werden leider immer noch nicht oft genug frühzeitig zu Rate gezogen, häufig auch, weil viele Patienten über diese Möglichkeit nicht Bescheid wissen.“

Leitlinien empfehlen bereits seit einiger Zeit das Screening von Krankenhauspatienten und eine anschließende ernährungstherapeutische Behandlung, wenn notwendig. Flächendeckend umgesetzt werden diese Empfehlungen jedoch nicht. So hat z.B. das St. Josef-Krankenhaus in Wien ein entsprechendes Screening Tool eingeführt, das bei allen Patienten des Krankenhauses eingesetzt wird. Seither sind die Zuweisungszahlen an die Diaetologie deutlich gestiegen. „Wir haben auch eine Pilotstudie mit 70 onkologischen Patienten durchgeführt, um aufzuzeigen, wie wichtig ein solches Screening ist.“, erzählt Katharina Auer, Diaetologin am St. Josef-Krankenhaus. Das Ergebnis passt zu den bisher vorhandenen Daten: „Über 50 Prozent der Patienten benötigten eine diaetologische Betreuung, da sich ihre Krankheit durch das Auftreten unterschiedlicher Beschwerden negativ auf die Nahrungszufuhr ausgewirkt hat.“, so Katharina Auer. Genau für solche Fälle werden Diaetologinnen und Diaetologen ausgebildet. Sie erarbeiten Lösungen, um ernährungsrelevante Beschwerden wie Schluckstörungen, Unverträglichkeiten oder Verdauungsprobleme in den Griff zu bekommen und eine ausreichende Energie- und Nährstoffzufuhr wiederherzustellen.

Richtige Ernährung bei onkologischen Patienten
Generell spielt die Ernährung bei onkologischen Patienten eine wichtige Rolle. Oft wollen sie selbst das „Richtige“ tun. Manche verzichten auf bestimmte Nahrungsmittel, weil sie Angst davor haben, das Falsche zu essen. Andere wollen die Therapie durch die richtige Ernährung unterstützen oder Nebenwirkungen bekämpfen. Wieder andere halten sich an Informationen von wenig seriösen Quellen und versuchen, den Krebs „auszuhungern“. Gut gemeinte, aber falsche Ratschläge aus dem Bekannten- oder Freundeskreis tragen auch nicht zur Objektivierung der Informationen bei. „Unsere Aufgabe als Ernährungsexperten ist es somit, in dieses Thema mehr Objektivität zu bringen.“, erläutert Nicole Erickson vom Zentrum für Prävention, Ernährungs- und Sportmedizin vom Klinikum rechts der Isar in München. „Wir müssen mit Vorurteilen und Halbwissen aufräumen und den Patienten klar und verständlich sagen, wie sie durch Ernährung ihre Therapie und ihren Heilprozess unterstützen können.“, so die Expertin. „Nicht immer aber bekommen wir die Patienten zu Gesicht.“, ergänzt Andrea Hofbauer: „Optimal wäre es, wenn jeder onkologische Patient noch im Spital mit einer Diaetologin oder einem Diaetologen ein Beratungsgespräch führen könnte.“

Ernährungstherapie auch bei kleinen Patienten wichtig
Ernährung und Lebensqualität hängen eng zusammen. Das gilt ganz besonders bei Kindern mit schweren Erkrankungen wie Stoffwechsel- oder Fettstoffwechselstörungen, aber auch bei Allergien und Nahrungsmittelunverträglichkeiten. Deshalb ist ihnen am Ernährungskongress auch eine eigene Sitzung gewidmet. Oft sind schwer kranke Kinder in ihrer Ernährung mehr eingeschränkt als es sein müsste, da den Eltern die Information darüber fehlt, was sie essen dürfen und was nicht. Häufig können Diaetologinnen und Diaetologen in solchen Fällen durch fundierte Beratung und Unterstützung einen wichtigen Beitrag zu mehr Lebensfreude leisten. “Leider können viele Familien diese Unterstützung nicht in Anspruch nehmen“, erklärt Präsidentin Andrea Hofbauer, „da ihnen schlicht und einfach das Geld fehlt und keine öffentliche Unterstützung dafür existiert.“ Ganz besonders schlimm ist die Situation bei terminal kranken Kindern, die zuhause versorgt werden, wie eine Diaetologin aus der Praxis berichten kann. Kreative Lösungen für Essprobleme und Beratung der Angehörigen können den Kindern jedenfalls ein Minimum an Lebensqualität zurückbringen, zeigt man sich im Verband überzeugt.

Der Verband der Diaetologen
Diaetologin/Diaetologe ist ein gesetzlich anerkannter Gesundheitsberuf. Seit 2005 werden Diatologen und Diaetologinnen an Fachhochschulen ausgebildet. Das Studium der Diaetologie dauert sechs Semester und schließt mit dem akademischen Grad „Bachelor of Science in Health Studies“ ab. Laut Gesetz sind Diaetologinnen und Diaetologen neben den Ärzten als einzige Berufsgruppe befugt, kranke und krankheitsverdächtige Menschen ernährungstherapeutisch zu behandeln und zu beraten. Der Verband der Diaetologen Österreichs ist die offizielle Vertretung der Berufsgruppe.

www.diaetologen.at

 

 

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