Er war einst einer der ersten Dribbelkönige des FK Austria Wien undgalt darüber hinaus als Goalgetter schlechthin, spielte zwischen 1. Dezember 1946 (2 : 3 in Mailand gegen Italien) und dem 3. Juli 1954 (3 : 1 gegen Uruguay in Zürich) 32mal in der Österreichischen Fußballnationalmannschaft, erzielte dabei 15 Tore und holte 1954 bei der Fußball-Weltmeisterschaft in der Schweiz WM-Bronze für Österreich mit dem 3. Platz. Bis zu seinem Ableben lebte er in Frankreich.
Zum Gedenken und aus Anlass des heutigen Todestages widmen wir hier eine kleine Geschichte Ernst „Stoissi“ Stojaspal, dem späteren „Monaco-Ernstl“ aus Wien-Simmering, der am 3. April 2002 im französischen Metz 77-jährig verstorben ist.
Einbeinig, aber nicht bloßfüßig
Ernst Stojaspal war beim Fußballsport bekannt als sogenannter „Einbeiniger“. Er streichelte förmlich den Ball, viel besser, als es jemand eventuell mit drei Beinen gekonnt hätte. Stojaspal war aber in etwa auch so, wie der selige Ungar Ferenc Puskás: „Hob ich einen Fuß zum Stehen und einen zum Fußballspielen. Bittascheen, is genug!“, als Einbeiniger verschrien, weil er es eben meist „nur“ mit dem Linken konnte. Das dafür allerdings umso zwingender. Mit dem ungarischen Ausnahme-Könner, dem „Major“ von Honvéd Budapest, Ferenc Puskás, verband Ernst Stojaspal auch der Genuss. Appetitliches Essen und Trinken nach dem Spiel, das war ungemein wichtig, was zur Folge hatte, dass beide nach Beendigung der Laufbahn gerne mit Gewichtsproblemen zu kämpfen hatten.
Ein Haken mehr für die Galerie, jedoch nie ein Haken zu viel
Es war die Zeit, in der die Lust auf das Tore schießen und der Spielwitz noch über taktische Korsett-Zwänge hinweg triumphierte. Im Maracana Stadion von Rio de Janeiro erzielte er am 30. Juni 1951 im Rahmen des „Copa Rio“ bei Austrias 4 : 0 gegen Nacional Montevideo – gespickt mit Fußball-Weltmeistern aus Uruguay – zwei Tore und galt als herausragender Akteur dieser Begegnung. Am 14. Oktober 1951 gewann Österreich in Brüssel gegen Belgienmit 8 : 1, der „Stoissi“ traf zweimal und alle Tore hatten eines gemeinsam – sie bereiteten erst Freude, wenn ein Trick angewandt wurde, der auch zog. Jahre später sollte er in einem Interview verlautbaren: „Ich hab´ halt gerne alles überspielt, was nicht zu meinem Team g´hört hat. Und wenn nur mehr der Torwart da war, musste ich den natürlich auch stehen lassen. Einmal war´s im Spiel gegen Kaiserslauern (Anm.: 9. September 1953, Austria vs. 1. FC Kaiserslautern, 9 : 2) da bin i scho beinah auf der Torlinie g´standen, vor mir nur der Keeper. Da wär´ es do a Sünd g´wesen, hätt i den net a no überspielt.“
Der Haken zurück verlockte, wenngleich das Tor bereits menschenleer war. Doch Stoissi legte zurück und der heranbrausende Walter Schleger netzte ein. 25.000 Zuschauer im Wiener Praterstadion waren restlos begeistert ob dieser grandiosen Austria-Mannschaft!
Auszug aus dem XI. Hieb in die „Grande Nation“
Am 14. Jänner 1925 wurde Ernst Stojaspal in Wien-Simmering geboren und erlernte später den Beruf eines Schlossers. Mit 10 Jahren begann er seine Laufbahn beim FC Strindberg. Über Mautner-Markhof und den 1. Simmeringer SC landete der „Stoissi“ schließlich bei Ostbahn XI. Im Juni 1943 wurde er zur Deutschen Wehrmacht eingezogen. Es ist überliefert, dass sich Stojaspal von einem Kriegskameraden bewusst die Hand brechen ließ, um somit einem etwaigen Front-Einsatz zu entgehen. Wegen „Wehrkraftzersetzung“ wurde ihm diesbezüglich im Oktober 1944 in Wien der Prozess gemacht. Der niederschmetternde Schuldspruch lautete: „8 Jahre Haft“. Im Frühjahr 1945 war unmittelbar vor Kriegsende für ihn natürlich auch die Haft vorzeitig zu Ende und Ernst Stojaspal stieß 20-jährig zur Wiener Austria. Genau den gleichen Weg schlug übrigens Jahrzehnte später ein gewisser Herbert Prohaska ein. Den „Schneckerl“ – Jahrgang 1955 – und den „Stoissi“ trennten 30 Jahre, beide waren ungeheure Künstler am Ball und beide gelangten als waschechte Simmeringer über den unterklassigen Verein Ostbahn XI zu den Wiener Violetten. Mit dem bereits zu Lebzeiten legendären Spruch: „Wir haben einen Spieler, der ist zwar nur einbeinig, schießt aber dennoch unsere meisten Goals!“ sorgte einst der rührselige Austria-Präsident Dr. Emanuel „Michl“ Schwarz in seiner Kaffeehausrunde immer wieder für stete Lacherfolge. Damit gemeint war Ernst „Stoissi“ Stojaspal, der zwar auch stets ein bisserl gegen das eigene Übergewicht ankämpfte, dessen einzigartige Körpertäuschung jedoch so geschickt war, dass auch leichtgewíchtigere Bewacher im Nu von ihm stehen gelassen wurden. Der „Einbeinige“ galt als „Wiener Kind“, als „Sunnyboy“ mit guter Laune, perfekten Umgangsformen und Manieren und er war allseits beliebt – bei Freund und Feind. Dies ging sogar soweit, dass ihm die Spieler des SK RAPID Wien anlässlich seines Abschieds von der Austria im Jahre 1954 und vor seinem weiteren sportlichen Werdegang in Frankreich einen silbernen Aschenbecher mit der Aufschrift „Dem allzeit fairen Stoissi“ überreichten.
Das schönste Match meines Lebens
… sollte der große Ferenc Puskás über das 7 : 6 von Honvéd Budapest über die Wiener Austria am 4. April 1953 vor 60.000 Zuschauern im Wiener Praterstadion sagen. Nach 17 Minuten stand es bereits 4 : 0 für Honvéd, viermal Puskas. Nach 32 Minuten hieß es 4 : 4 – Rudolf Pichler, Ernst Ocwirk und zweimal Fritz Kominek trafen für den FAK. Nach Seitenwechsel führten die Ungarn rasch 6 : 4 durch Sandor Kocsis und László Budai. Nach 80 Minuten wiederum stand es durch Pichler und Stojaspal 6 : 6. Und als alle im Stadion mit diesem Endstand rechneten ein Freistoß für Honvéd: József Bozsik spielte das Leder auf Kocsis, der zum vielumjubelten 7 : 6 für Honvéd einköpfelte. Auch Stojaspal war angetan von dieser Partie, wenngleich ihn das späte Siegestor der Ungarn natürlich ärgerte.
Mehr Tore als Spiele
Für den FK Austria Wien war Ernst Stojaspal ein wahrer Tor-Garant, ein Goalgetter, wie es beispielsweise auch die beiden grün-weißen Robert Dienst und Hans Krankl waren, sowie später Austria´s Anton „Toni“ Polster. Ernst Stojaspal traf zwischen 1945 und 1954 in 413 Spielen 481 Mal ins Schwarze. Ein sensationeller Wert! Fünf Mal – 1946, 1947, 1948, 1952 und 1953 – wurde der „Einbeinige“ österreichischer Torschützenkönig. Mit der Austria holte er 1949, 1950 und 1953 die Meisterschaft, sowie 1948 und 1949 den Cup. Nach der erfolgreichen Fußball-WM 1954 zog es ihn mit 29 Jahren ins Ausland zu Racing Straßburg, er heiratete dort die Französin, Yvonne und wurde auch in Frankreich ein gefeierter Spieler. Seine weiteren Karriere-Stationen lauteten: AS Beziers, AS Monaco, AS Troyes, sowie der FC Metz. Der Fußballsport ließ den Simmeringer „Stoissi“ auch nach dem Karriere-Ende nicht los, er wurde Trainer bei AC Ajaccioauf Korsika, bei AS Giraumont, beim FC Monthey in der Schweiz, sowie in Belgien bei AS Athus.
Heimatverbunden auch nach der Laufbahn
Nach all diesen Jahren dann der Weg in ein ganz anderes Fach – Ernst Stojaspal wurde im noblen Monte Carlo Cafetier. Seine Café-Bar taufte er auf den wohlklingenden Namen „Café de Vienne“. Nur das mit der französischen Sprache, die immer ein bisserl holprig und brüchig aus seinem Munde klang, das wollte dem nunmehrigen Simmeringer Kaffeesieder in Monaco nicht so recht gelingen. Seine Gattin Yvonne dazu anhand eines Interviews: „Ich habe den Fehler gemacht, mit Ernst „nur“ Deutsch zu sprechen. Da hat er natürlich nichts gelernt.“
Nach Wien zog es Ernst Stojaspal nur noch selten. Er freute sich aber immer, wenn ihn alte Wiener Freunde und ehemalige Weggefährten in seiner Café-Bar besuchten. Zuletzt lebte er in einem Vorort von Metz. Und Mitte März 2002 übersiedelte Ernst Stojaspal ins Seniorenheim Home de Preville in Moulins-les-Metz. Nach einer Alzheimererkrankung war er zum Pflegefall geworden. In der Nacht von 2. auf 3. April 2002 büchste er, lediglich im Pyjama bekleidet, aus dem Pflegeheim aus und wurde am nächsten Morgen 600 Meter davon entfernt leblos in einer Baugrube liegend aufgefunden. Die Ärzte stellten Herzversagen als Todesursache fest.
Unvergessener Schmäh und Hamur
Geblieben ist allerdings die Erinnerung an einen großartigen Wiener Fußballer, für den das Tore schießen zum täglichen Brot gehörte. An einen Schmähbruder und ein echtes Wiener Original, wie es diese heutzutage leider nicht mehr allzu oft gibt. Ein paar Beispiele gefällig? Bitte sehr: Die Austria gastiert auf der Hohen Warte bei der Vienna. Darauf Ernst Stojaspal im Original: „Der einzige Ankick in der Fußballgeschichte ohne Ball. Beim Aufwärmen hamma alle Ball´n verschossen, der Schiedsrichter wollt´ anpfeifen, also bin i hin zur Mittelauflag und hab zum Melchior Ernstl g´sagt: Auf geht´s. Der Schiri pfeift, wir stürmen los – 30.000 Zuschauern ham sich die Augen g´rieben!“
Ein anderes Mal – 1949 – spielte die Austria am RAPID-Platz gegen den Wiener Sport-Club. Anton Ploderer (WSC) wird nach einem Foul an Adolf „Dolfi“ Huber (FAK) ausgeschlossen. Darauf saust der Stoissi zum Referee und bekniet diesen, den Ploderer – vom Gegner wohlgemerkt – nicht vom Platz zu stellen. „Lassen S´ eahm doch weiterspüln, es is jo net schön, wenn zehn gegen elf spüln!“
Wie weiter oben bereits angeführt, „kegelte“ die Austria die Pfälzer aus Kaiserslautern mit 9 : 2 aus dem Stadion. Ernst Stojaspal tröstete nach dem Match den deutschen Fritz Walter noch mit den Worten, er solle sich doch nichts daraus machen: „Einmal gewinnt der Gigl, einmal gewinnt der Gogl.“ Darauf Walter anerkennend: „Wozu braucht Ihr überhaupt ein System? Bei solchen Spielern …“ Ein Jahr später traf Österreich anhand der Fußball WM in der Schweiz am 30. Juni 1954 in Basel auf Deutschlandund wird vom künftigen Fußball-Weltmeister vernichtend mit 6 : 1 geschlagen. Darauf nach dem Spiel der deutsche Kapitän Fritz Walter förmlich suchend nach dem sich verkrochenen Ernst Stojaspal: „Na, Ernst, mach Dir nicht in die Hosen! Wie heißt es doch so schön bei Euch? Einmal der Gigl, einmal der Gogl!“
In Memoriam Ernst „Stoissi“ Stojaspal
An einen,der problemlos in die große Galerie der klassischen Austrianer eingezogen war. Nicht nur mit einem Haken und noch einem Haken, einem butterweichen und punktgenauen Pass, sondern auch einer seidig-weichen Ballbehandlung und doch den steten Drang in sich verspürend, stets den Abschluss zu suchen. Seine Volltreffer verhalfen der Nationalmannschaft, aber auch der Wiener Austria, zu tollen Erfolgen in den 1940er und 1950er Jahren in Österreich. Der „Monaco-Ernstl“ aus Wien-Simmering, der immer dort war, wo die Kugel rollte, zuerst am Platz und später dann in Monaco auch hin und wieder am Roulette-Tisch, wird unvergessen bleiben.
Quelle: Redaktion www.oepb.at
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