Nun, die Antwort der Frage auf das „wann die Austria nach Favoriten kam“ ist sofort gegeben: Vor 50 Jahren, im Sommer 1973. Die Antwort jedoch auf die Frage nach dem „wie“ wird dabei schon etwas ausführlicher, denn gerade diese Epoche des österreichischen Rekord-Titelträgers FK Austria Wien / kurz FAK in seiner nunmehr 112-jährigen Vereinsgeschichte ist mehr als nur beachtungswürdig. Wer nun neugierig geworden ist, den möchten wir hier gar nicht lange auf die Folter spannen und mitnehmen auf eine Zeitreise, die weit über 50 Jahre zurückreicht …
Heimatlose Austria auf der steten Suche
Wie die Geschichte beweist, hat jeder Wiener Fußballklub sein Grätzl. Da ist beispielsweise der älteste Fußballverein Österreichs, der First Vienna FC von 1894, der immer schon im 19. Bezirk (Döbling) zu Hause war. Oder aber der Wiener Sport-Club, dem der 17. Bezirk Hernals als ehemalige Grafschaft der Kutscher und Fiaker seit jeher als Heimat dient. Der SC Wacker Wien entstammte dem 12. Hieb, Meidling, der 1. Simmeringer SC – nomen est omen – kommt aus dem 11. Wiener Gemeindebezirk, ebenso verhält es sich beim FavAC aus Wien 10 – Favoriten. Der SK Admira Wien war, bevor der Sponsor NEWAG – heutige EVN – den Verein im Jahre 1966 aus Floridsdorf, Stadtteil Jedlesee nach Maria Enzersdorf im Süden von Wien verfrachtete, im 21. Bezirk ansässig, und zwar genau dort, wo heute noch der Floridsdorfer AC seine Heimspiele austrägt. Mit der Fusion zum FC Admira/Wacker im Sommer 1971 wurde es auch in Wien-Meidling am alten Wacker-Platz immer stiller. Und last but not least der SK Rapid Wien, der mit und in Hütteldorf im 14. Bezirk seit weit über 100 Jahren fest verwurzelt ist. Und wo bleibt hier die Wiener Austria? Nun, ein echter Violetter musste stets gut zu Fuß sein oder sämtliche Tramwaylinien – noch weit bevor die rasanten Silberpfeile der U-Bahn kamen – in- und auswendig kennen, denn es gab in früheren Zeiten bis in graue Vorzeiten hinein in Wien kaum einen Platz, auf dem die Austria nicht ihre Heimspiele austrug. Doch dazu später;
Immer Sorgen mit dem lieben Geld
Die Wiener Austria war Mitte der 1960er Jahre finanziell nicht gerade auf Rosen gebettet. Sportlich gab es zwischen dem Double-Erfolg 1962/63 und dem nächsten Meistertitel 1968/69 „nur“ einen Cup-Titel im Jahre 1966/67. In diese fußballerisch durchwachsene Episode hinein gebar Austria-Geschäftsführer Joschi Walter die Königsidee, die Brust der Spieler mit einem Sponsor, der geneigt ist, das nötige Kleingeld dafür bereitzustellen, zu beflocken. Noch ehe in der deutschen Bundesliga beim BTSV Eintracht Braunschweig und dem Kräuterlikör-Produkt Jägermeister am 24. März 1973 der allererste Brustsponsor auftauchte, lief bereits in Österreich Jahre zuvor – ab der Saison 1966/67 – der FAK mit der heute noch bekannten „Schwechater Bier-Tulpe“ als Hauptsponsor auf der Brust in die jeweiligen Spielstätten ein.
Diese Kooperation sollte bis zum Sommer 1971 andauern, ehe abermals „Schmalhans Küchenmeister“ bei den Violetten regierte und man erneut Ausschau nach einem potenten Sponsor hielt, denn Konsul Manfred Mautner Markhof jun. subventionierte nun mit seiner Schwechater Biermarke den neu ins Leben gerufenen Verein FC Admira/Wacker mit Sitz in der Südstadt. Intensive Fusionsgespräche zuvor zu „Admira-Austria“ scheiterten zweimal am vehementen Einspruch der violetten Anhänger.
An einer Fusion führt kein Weg vorbei
Zwei Saisonen frettete sich der FAK finanziell mehr schlecht als recht durch den Liga-Alltag, ehe im Sommer 1973 der Königs-Deal gelang. Die Zusammenlegung mit dem Wiener Athletiksport-Club / kurz Wiener AC oder WAC – und ganz gewiss nicht zu verwechseln mit dem Wolfsberger AC – zum neuen Großklub AUSTRIA WAC Elementar brachte der Austria über Nacht mit der Anglo-Elementar Versicherungs-AG – heutige Allianz Österreich – endlich den lang ersehnten potenten Geldgeber und Gönner. Und nun wollte man auch, was die stete Heimatfrage nach einer immerwährenden Spielstätte betraf, endlich in Wien sesshaft werden.
Sportclub kündigt Zusammenarbeit
Ab 31. März 1972 bestritt die Austria in regelmäßigen Abständen ihre Heimspiele am Sportclub-Platz und zwar immer dann, wenn der Sportclub auswärts anzutreten hatte. In der Saison 1972/73 wurde diese Kooperation verlängert und verhielt sich mehrmals so, dass beide Vereine am gleichen Tag in Wien-Dornbach als „Doppel“ auftraten, wobei der Wiener Sport-Club das Vorspiel und der FK Austria Wien das Hauptspiel bestritt. Diese Vereinbarung wurde mit 50 : 50 Prozent der Zuschauer-Einnahmen abgegolten. Bis der Sportclub-Vorstand Lunte roch und meinte, man müsste den neuen Großklub Austria WAC Elementar vermehrt zur Kasse bitten und zur Saison 1973/74 eine neue Vereinbarung treffen. Diese war nicht im Sinne des Erfinders und der langjährige Austria-Sekretär Norbert Lopper erinnerte sich:
„Wir hatten mit dem Sportclub die Vereinbarung, die Zuschauereinnahmen am Sportclub-Platz zu halbieren. Bis der Sportclub diese Zusammenarbeit zu unseren Ungunsten abänderte. Vize-Präsident Hans Bruckner wollte, dass wir auch die Einnahmen der Spiele gegen Rapid und Innsbruck, die wir ohnehin im Stadion (Anm.: Wiener Praterstadion) bestritten, in den Einnahmen-Topf mit dem Sportclub werfen, um abzuteilen. Mit dieser Maßnahme konnten wir nicht einverstanden sein. Was können wir aber machen? Es war Sommerpause und alle im Verein waren weg. Ich war allein und überlegte nach einem geeigneten Platz für unsere Heimspiele für die Saison 1973/74. Da rief ich aus einer Laune heraus den Wiener Fußball-Verband und seinen Präsidenten Franz Horr an und schilderte ihm unsere missliche Lage. Horr, der uns wohlwollend gegenüberstand, bat mich auf den ASKÖ X-Platz nach Favoriten und besichtigte mit mir das Areal. Nun, um es kurz zu machen, an Meisterschaftsspiele war in absehbarer Zeit dort überhaupt nicht zu denken. Überall wucherte Unkraut und auch der Rasen war mehr ein löchriger Krautacker. Wir mussten aber eine Lösung finden. Diese war, einfach die wenige Zeit so gut es eben geht zu nutzen. Unser erster Gegner in der Meisterschaft war der Meister Wacker Innsbruck. Gegen den konnten wir im Stadion spielen. Dann kam ein Auswärtsmatch beim SC Eisenstadt.
Bis zum ersten Heimspiel am neuen Platz hatten wir ein bisserl Zeit gewonnen. Ich fuhr jeden Tag nach Favoriten hinauf und lieferte den Arbeitern dort die Jause, damit die zu Mittag gar nicht erst wegfahren und wer weiß wann wiederkommen. Damals gab es um das gesamte Areal so gut wie nichts. Keinen Greißler und auch die Wirtshäuser waren weit weg. Dann suchte ich bei der Liga um eine Spielgenehmigung für den Platz an, die mir natürlich nicht gewährt wurde. Es konnte sich niemand vorstellen, dass man dort spielen kann. Auch unser Vorstand, der langsam aus dem Urlaub wiederkam, glaubte nicht daran. Wir mussten dort aber spielen. Gemeinsam mit Franz Horr, der garantierte, dass der Spielbetrieb dort sicher und gesichert sei, wurden wir am Abend vor dem 26. August 1973 und der dritten Meisterschaftsrunde fertig. Der Platz war für 5.000 Zuschauer kommissioniert. Wir hatten unsere ersten beiden Spiele gewonnen, geworden sind es beim 4 : 1 gegen die Vienna letztlich 11.000 Zuschauer, der Platz ging über. Ich war Verbands-Präsident Horr und seiner intensiven und persönlichen Beteiligung an dieser Realisierung überaus dankbar.“ – so Norbert Lopper in einem launigen oepb-Gespräch anlässlich der Fußball-Ausstellung „Wo die Wuchtel fliegt – Legendäre Orte des Wiener Fußballs“ im WIEN-MUSEUM im Juni 2008.
Ein Platz erwacht zu neuem Leben
„In den letzten Wochen waren auf dem Tschechischen Herzplatz, dem Ajax-Platz und dem Verbandsplatz 3, von dessen Existenz viele nicht einmal wussten, so verwachsen war er, fast mehr Bagger Bulldozer, Kräne und Bohrmaschinen zu sehen, als auf Wiens größer Baustelle, dem Karlsplatz. Lastwagen brachten tonnenweise Baumaterial, andere führten ebenso viel Schutt weg. Mehrere Dutzend Menschen rodeten das verwucherte Gelände, ebneten es, hackten den Boden auf und verlegten Rasenbänder. Seither kommen die Rasensprenger nicht mehr zur Ruhe. Ein eigener, rund 20 Meter tiefer Brunnen wird gebohrt, um ständig über genügend Wasser verfügen zu können. Die gut 35 Jahre alte, aber äußerst liebevoll gebaute Tribünenüberdachung wurde repariert, Umzäunungen schießen aus dem Boden. Die Aschenbahn, vormalige Speedwaybahn, soll rot ausgelegt und transportable Sitzplätze auf dieser errichtet werden. Auch ein eigener, abgeschlossener Jugendsektor ist geplant. Der „neue Tschechische Herzplatz“, auf dem die Austria in Zukunft ihre Heimspiele austragen will, wird kein modernes, jedoch ewig unfertiges Stadion a la Südstadt sein, er wird auch keine neue (jedoch nicht fertiggestellte) Tribüne wie die Hohe Warte bekommen, aber – und das ist das zweitwichtigste: Er hat Atmosphäre. Das Wichtigste jedoch ist: Er liegt in Favoriten, dem Heimatbezirk Matthias Sindelars und dem Heimatbezirk vieler Austria-Anhänger. Wir Favoritner freuen uns auf unsere geliebte Austria und allen Zuschauern aus den anderen Teilen Wiens ein „Herzliches willkommen!“ – so Günther Deimel, ein waschechter Favoritner und Beobachter der Szenerie im Sommer 1973.
Heimatlose Austria immer noch nicht sesshaft
Den Ruf „heimatlos“ zu sein, konnte die Austria ab 1973 mit dem Standort in Wien-Favoriten allerdings immer noch nicht zur Gänze ablegen. Ein Blick in die bewegte Vereinsgeschichte fördert folgende Spielstätten (kein Anspruch auf Vollständigkeit) zutage:
1911: Alter Rapid-Platz in Hütteldorf (14. Bezirk)
1912: Wiener AC-Platz im Prater (2. Bezirk)
1913: Cricketer-Platz in der Vorgartenstraße in der Leopoldstadt (2. Bezirk)
1914-1930: Amateure-Platz in Ober-St. Veit in Hietzing (13. Bezirk)
1931: WAF-Platz in Hütteldorf (14. Bezirk)
1932-1966: Wiener Praterstadion (2. Bezirk)
1965-1972: mit Unterbrechungen Hohe Warte in Döbling (19. Bezirk)
1966/67: Wacker-Platz in Meidling (12. Bezirk)
1967-1969: Wiener Praterstadion (2. Bezirk)
1970-1971: Bundesstadion Südstadt in Maria Enzersdorf in Niederösterreich
1970: Red Star-Platz in Rudolfsheim-Fünfhaus (15. Bezirk)
1972-1973: Sportclub-Platz in Hernals (17. Bezirk)
1973-1975: ASKÖ X-Platz WFV-Verbandsplatz – ab 1974 Franz Horr-Stadion – in Favoriten (10. Bezirk)
1974: Wiener Praterstadion (2. Bezirk)
1975/76: Sportclub-Platz in Hernals (17. Bezirk)
1977: Weststadion in Hütteldorf – späteres Ing. Gerhard Hanappi-Stadion (14. Bezirk)
1978-1980: Wiener Praterstadion (2. Bezirk), Rudolf Tonn-Stadion in Schwechat
1980/81: Sportclub-Platz in Hernals (17. Bezirk), Wiener Praterstadion (2. Bezirk), Hohe Warte in Döbling (19. Bezirk)
1981/82: Hohe Warte in Döbling (19. Bezirk), Wiener Praterstadion (2. Bezirk), Sportclub-Platz in Hernals (17. Bezirk), Franz Horr-Stadion in Favoriten (10. Bezirk)
12. Mai 1982: Endgültiger Einzug der Austria in das Franz Horr-Stadion in Wien-Favoriten (10. Bezirk)
Die treuen violetten Freunde
„Wenn vom Anhang die Rede ist, dann wird viel von Rapids Publikum gesprochen, werden die lautstarken Admira-, Vienna- und früheren Wacker-Anhänger erwähnt und auch jene vom Sportclub kommen nicht zu kurz. Die Austria-Anhänger erwähnt man kaum, so als würde es sie gar nicht geben. Und die Tribünen? Wer bitte schön füllt diese, Spiel für Spiel und Woche für Woche? Wer feuert die violetten Zangler an und wer belohnt die Erfolge durch satten Applaus? Es mag schon sein, dass die Statistiker und Zahlen-Jongleure recht haben, dass die Austria, was die nackten Zahlen betrifft, nicht so von Zuschauern gesegnet ist wie die anderen Vereine in Wien. Doch die anderen habe „ihre Plätze“ als Treffpunkte und Kampfstätten. Die Austria kann mit ähnlichem – noch – nicht aufwarten. Die Zuschauer sind zerrissen zwischen Hütteldorf, Ober-St. Veit, Prater, Döbling und Hernals. Und dennoch kommen Tausende. Vielleicht aufgrund des Umstandes der „Heimatlosigkeit“ nicht so häufig und so rege. Doch dafür sind gerade jene, die die Wiener Violetten anfeuern, die treuesten der Treuen. So gesehen zählt jede Austria-Fahne auf den Tribünen doppelt so viel wie jede andere. Und schon bald wird der Tag kommen, an dem die Austria endlich ihr „Zuhause“ erhalten wird. Und dann wird ein Meer von Mehr-Fahnen ausgerollt und dann werden die neuen Hausherren auch einen absoluten Vergleich mit anderen Wiener Vereinen nicht mehr scheuen müssen. Demnach und einmal mehr: HOCH AUSTRIA!“ – so der bekannte Schriftsteller und bekennende Austria-Anhänger Friedrich Torberg in einem Feuilleton in den frühen 1970er Jahren.
Endgültige Heimat der vormals Heimatlosen
Da der FK Austria Wien demnach vor 50 Jahren, am Sonntag, 26. August 1973 erstmals ein Heimspiel am Areal der heutigen Generali-Arena austrug – 11.000 Besucher freuten sich über einen 4 : 1-Triumph über die Vienna – begeht man nun eine kleine, aber feine violette Feierlichkeit anlässlich „50 Jahre Spielstätte zu Wien-Favoriten“. Im Zuge dessen wird im Austria-Museum im Bauch der Osttribüne ab Montag, 4. September 2023 eine Ausstellung zu sehen sein, die die langatmige Entstehungsgeschichte des endgültigen Einzugs des FAK auf den ASKÖ X-Platz, in das spätere Franz Horr-Stadion bis hin zur heutigen Generali-Arena zeigt. In diesem Sinne kann man hier dem geneigten violetten Anhänger in guter, alter Karl Farkas-Manier nur raten: „Schauen Sie sich das an!“
„AUSTRIA In Favorit’n Willy Fantel“ Austria In Favorit’n – Das Orchester Willy Fantel
Quelle: Redaktion www.oepb.at
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