"Stell Dir vor es ist Spieltag und die Tribüne ist weg!" Auf der neu gebauten Nord-Tribüne des damaligen Horr-Platzes fing am 12. Mai 1982 anhand eines 3 : 1-Cupfinal-Erfolges gegen Wacker Innsbruck die neue Epoche der Austria zu Wien-Favoriten an. Foto: oepb
„Stell Dir vor es ist Spieltag und die Tribüne ist weg!“ Auf der neu gebauten Nord-Tribüne des damaligen Horr-Platzes fing am 12. Mai 1982 anhand eines 3 : 1-Cupfinal-Erfolges gegen Wacker Innsbruck die neue und endgültige Epoche der Austria zu Wien-Favoriten an. Foto: oepb

Nach den bereits traditionellen und ans Herz gewachsenen alljährlichen Baustellen im Straßenverkehr und/oder U-Bahn-Bereich in der österreichischen Bundeshauptstadt Wien, die stets mit dem Beginn eines neuen Schuljahres termingerecht und pünktlich fertig werden, blieb und bleibt bei den beiden größten österreichischen Fußball-Klubs, dem FK AUSTRIA Wien, sowie dem SK RAPID Wien kein Stein auf dem anderen.

Während die einen nach einer zweijährigen Bauzeit nun in diesem Sommer in ihr neues Refugium mit Pump und Gloria eingezogen sind, werkeln die anderen an ihrem neuen violetten Wohnzimmer noch emsig und artig herum.

RAPID hat mit seinem Standort draußen in der Vorstadt zu Wien-Hütteldorf seit jeher gegenüber der AUSTRIA einen uneinholbaren Vorteil. Das seinerzeitige West-, spätere Ing. Gerhard Hanappi-, und heute wieder Weststadion genannte Stadion-Areal liegt so herrlich verkehrsgünstig an der Einfahrtschneise aus dem Westen Österreichs kommend. Weder eine langwierige U-Bahn-Fahrt durch sämtliche Bezirke, noch eine Staulawine durch Wien hindurch muss der Fußballplatz-Besucher auf sich nehmen, wenn er diese Arena betreten will. Dieser Stadion-Standort bringt auch mit sich, dass RAPID seit vielen, vielen Jahren zahlreiche Anhänger, beispielsweise aus Oberösterreich, immer wieder begeistern kann.

Um ein neues Stadion zu bekommen, dafür mauerten RAPID-Anhänger vor einigen Jahren sogar die Geschäftsstelle zu. Sie wurden erhört, die neue Hütte ist da. Futuristisch, pompös, RAPID-gerecht. Foto: oepb
Um ein neues Stadion zu bekommen, dafür mauerten RAPID-Anhänger vor einigen Jahren sogar die Geschäftsstelle zu. Sie wurden erhört, die neue Hütte ist da. Futuristisch, pompös, gewöhnungsbedürftig, RAPID-gerecht. Foto: oepb

Wer zur AUSTRIA wollte und will, der brauchte stets Geduld. Einerseits wusste man oft jahrelang nicht, wo das nächste Heimspiel steigt, tingelte doch die Wiener Primgeiger-Truppe in ihren besten Jahren quer durch Wien, ja selbst die Südstadt und das Weststadion diente als Heimspielort. Darüber hinaus ist der Mensch an sich faul und bequem und der Österreicher in dieser Position Weltmeister. Alles, was wider der Norm und ein bisserl umständlich ist, wird schon, bevor es noch losgeht, langweilig. Die AUSTRIA tat sich somit stets schwer, Anhänger – bleiben wir bei Oberösterreich – dauerhaft an sich zu binden. Gerade Jugendliche, wenn die mit den ÖBB und der seit einigen Jahren aktiven Westbahn anreisen, benötigen für den Weiterhopp vom Westbahnhof hinaus nach Favoriten – seit 1982 trägt der FAK dort regelmäßig seine Heimspiele aus – eine gefühlte Ewigkeit. Doch gerade das macht(e) doch eine Anreise zu seinem Lieblingsverein aus. Irgendwo hinzugehen, wo man gleich ist und wo jeder X-Beliebige hinlatschen kann, das stellt keine allzu große Kunst dar.

Und so war vor Jahrzehnten die Frau Mama darob bass erstaunt, als sie nach getaner Arbeit müde nach Hause kam und auf dem Küchentisch vom Filius lediglich einen Zettel vorfand, auf dem simpel geschrieben stand: „Bin beim Fußball in Wien. Nehme den letzten Zug zurück und bin gegen 3 Uhr früh wieder da. Sorg Dich nicht, es geht mir gut!“

Dem Filius war das Hanappi-Stadion, sehr bald schon, viel zu langweilig. Sein Ritt durch die für ihn damals große, weite und fremde Wiener-Stadt, sei es mit der U4, oder mit den zahlreichen feuerroten Tramway-Linien, bedeutete für ihn Freiheit, Erwachsen sein – oder vielmehr werden – im frühen Teenageralter und die pure Lust und Liebe zum und am Fußballsport.

Auf Ing. Gerhard Hanappi wurde mit diesem Platz direkt vor dem Allianz-Stadion nicht vergessen. Hanappi konzipierte das "erste" Weststadion, in dem RAPID von 1977 bis 2014 heimisch war. Foto: oepb
Auf Ing. Gerhard Hanappi wurde mit diesem Platz direkt vor dem Allianz-Stadion nicht vergessen. Hanappi konzipierte das „erste“ Weststadion, in dem RAPID von 1977 bis 2014 heimisch war. Foto: oepb

Heimspiele der AUSTRIA, das war damals in den frühen 1980er Jahren entweder die Hohe Warte, das war der Sportclub-Platz, das war aber auch der Horr-Platz, draussen, irgendwo im nirgendwo neben dem Verteilerkreis zu Wien-Favoriten. Der Filius schwamm nie im Strom, das, was alle taten, wir ihm stets ein Gräuel. Während die Kumpels und Schul-Freunde zu RAPID gingen – Kunststück, das war bloß über die Straße vom Bahnhof Hütteldorf kommend – folgte er zu einigen Heimspielen, was eben sein Taschengeld hergab, der Wiener Austria, die damals einen wahren Lauf hatte. Vier Meisterschaften am Stück konnte der FAK zwischen 1978 und 1981 gewinnen, und dennoch nahmen nicht allzu viele Leute davon Notiz. Und auch 1982 und 1983, als RAPID zweimal Titelträger wurde, bot der FAK hervorragenden Fußball – für den Filius – trotz zweimaliger Vize-Meisterschaft.

RAPID verabschiedete 2014 unter zahleichen Tränen und einer echten und kurioserweise gesittet abgelaufenen „Abriss-Party“ das Hanappi-Stadion, um im heurigen Sommer auf der alten Wirkungsstätte wieder einziehen zu können. Der befürchtete Zuschauer-Einbruch im Ernst Happel-Stadion blieb aus, im Gegenteil, mit 17.000 Zuschauern im Schnitt verfügte man in der abgelaufenen Saison 2015/16 über den besten Durchschnitt seit 60 Jahren.

Der langjährige RAPID-Funktionär Dionys Schönecker (* 1888, † 1938), der sich, so ist es überliefert, mit seinem Pendant, dem Austrianer Hugo Meisl (* 1881, † 1937) stets im Cafe Westend am Wiener Westbahnhof zum Gedankenaustausch traf, lädt in die Stadion-Katakomben ein. Foto: oepb
Der langjährige RAPID-Funktionär Dionys Schönecker (* 1888, † 1938), der sich, so ist es überliefert, mit seinem Pendant, dem Austrianer Hugo Meisl (* 1881, † 1937) stets im Cafe Westend am Wiener Westbahnhof zum Gedankenaustausch traf, lädt in die Stadion-Katakomben ein. Foto: oepb

Die AUSTRIA zog mit einem 3 : 0-Heimspielerfolg gegen den SK Sturm Graz vor 11.000 Besuchern im heurigen Mai aus dem Horr-Stadion, der heutigen Generali-Arena, aus. Eine Abriss-Party in diesem Sinne gab es nicht, da ja ohnehin zwei Tribünen bestehen bleiben und „nur“ die West-, als auch die Nord-Tribüne abgetragen wurden und im Doppeldecker-Stil neu errichtet werden. Lediglich für die Mitglieder gab es einen „violetten“ Abend, anhand dessen man geheiligten Horr-Platz-Rasen und einige Stadion-Sitze zum zu Hause-Aufstellen neben dem Gartenzwerg mitnehmen konnte.

Kurios, aber irgendwie passend zur AUSTRIA, ist auch jener Umstand, dass der gesamte Spieler-Tross ins burgenländische Steinbrunn verlegte und dort während der Umbauarbeiten seine Trainingsplätze aufschlug. RAPID ging für zwei Jahre in den Prater, und ist immer noch dort. Die AUSTRIA, die über Jahrzehnte hindurch im Wiener Prater ansässig war, konnte dieses Areal für das tägliche Training nicht verwenden und zog mit Sack und Pack ins Burgenland. Auch das niederösterreichische Lindabrunn, wo sich der FAK bereits in früheren jahren mehrmals auf die Saison vorbereitete, kam nicht in Frage. Ein Punktsieg für RAPID, die ihrer Heimatstadt Wien während der Stadion-Umbauarbeiten treu blieben.

Blick auf die von 1982 bis 2016 existente Nord-Tribüne im Horr-Stadion, der GENERALI-Arena. Foto: oepb
Blick auf die von 1982 bis 2016 existente Nord-Tribüne im Horr-Stadion, der Generali-Arena. Foto: oepb

Die AUSTRIA hat nun den Vorteil, neues Publikum anzusprechen, denn nur mehr ganz wenige gesellen sich zu den Heimspielen ins Wiener Stadion. Auch die 10. Werbe-Plakat-Kampagne des FAK verpuffte wie eine Seifenblase, denn die Robert Almer-Botschaft hätte man ruhigen Gewissens verfeinern können, dass man als Verein auf seine Anhänger zählt und baut und nun gemeinsam den Weg in den Prater antreten wird. Die Frage muss gestattet sein, was Werbefachleute so den ganzen Tag treiben, wenn die einfache Botschaft auf einem blankpolierten Silbertablett, wie in diesem Falle, doch so nahe liegt …

Beide Vereine, die sich naturgemäß weder grün noch violett sind, qualifizierten sich nun für die UEFA Europa-League. Für eine Stadt wie Wien und das gesamte Fußball-Land Österreich ein herrlicher Umstand. Leider, aus Sicht der Gleichstellung und Gleichberechtigung ist es allerdings so, dass das neue Weststadion für RAPID zu klein werden wird, und die AUSTRIA im Prater mit ihren Anhängern „Fangen spielen“ kann. Als hoffnungsloser Optimist ist – und bleibt – man jedoch guter Dinge, dass dies nicht so sein wird. Die Farbe der Hoffnung ist zwar „grün“, in diesem Falle pinselt man jedoch ein herrliches Veilchen-Violett in die Hoffnung hinein und freut sich auf den fußballerischen Herbst.

2018 gibt es auf jeden Fall ein Wiedersehen am neuen Areal der Wiener Austria. Die Vorfreude ist bekanntlich die schönste Freude. Foto: oepb
2018 gibt es auf jeden Fall ein Wiedersehen am neuen Areal der Wiener Austria. Die Vorfreude ist bekanntlich die schönste Freude. Foto: oepb

Was die Zukunft anlangt, so ist RAPID mit dem neuen Stadion mittendrin, der FAK zieht jedoch nach und nahm bereits vor einiger Zeit den Doppelpass mit den Wiener Linien auf. Dann nämlich, wenn die U-Bahn bis zum Verteilerkreis und darüber hinaus fährt, dann wird auch der neue Horr-Platz, die Generali-Arena, in gleißendem Licht hell erstrahlen und als Pendant gegenüber dem alten Rivalen RAPID ist man mit diesem ab 2018 wieder auf Augenhöhe angelangt.

Geduld, Vorfreude, gepaart mit Euphorie – der FK Austria Wien wird es erleben.

www.austria.wien

www.bundesliga.at

www.skrapid.at

 

 

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