Karl Sesta im Jahre 1934. Sammlung: oepb

„Sonntag für Sonntag findet der W.A.C. (steht für Wiener Athletiksport Club und ist absolut nicht zu verwechseln mit dem Wolfsberger AC) seine Lacher! Dabei spielt die Mannschaft keineswegs lächerlich, sie steht im Cup großartig und in der Meisterschaft in der Mittelgruppe und doch gibt es regelmäßig Lachsalven. In der Elf spielt auch Karl Sesta, der robuste Verteidiger, der ausgezeichnete Fußballer, wirkungsvolle Humorist und bärenstarke Ringer. Warum die Leute über ihn lachen?

Weil man nie weiß, was er will. Das soll mitunter seine Mitspieler zur Verzweiflung treiben, für das Publikum ist es aber jedenfalls sehr ergötzlich. Dabei erzielt der „Gummiball“ Sesta die größten Erfolge. Der Spieler begann bei Vorwärts XI, dann spielt er im Jahre 1924 beim 1. Simmeringer SC, 1927 bei Teplitz-Schönau und schließlich, als er in der Tschechoslowakei mit Otto Haftl zu streiten begann, landete er beim W.A.C., dem er seit dem Jahre 1928 angehört.

Sesta spielte als Verteidiger, Läufer und als Mittelstürmer und auch jetzt als Allroundspieler versucht er sich von Zeit zu Zeit im Angriff. So erst am letzten Sonntag gegen RAPID, wo er allerdings mehr Wirbel machte als er leistete. Seine Hauptstärke ist die unerhörte Beweglichkeit. Sesta spielt mit allen Körperteilen, er „zerfranst“ sich förmlich, opfert sich und bildet heute eine Hauptstütze des Klubs.

Wie er einen Italiener k.o. schlug

Sein aufregendstes Spiel machte Sesta gegen Lazio in Rom mit. Durch das derbe Spiel der Italiener wurden vier Leute seiner Elf verletzt. Als Sesta einen Eckball schießen wollte und die italienischen Zuschauer durch das Gitter mit Stöcken auf ihn schlugen, boxte er kurzerhand den Fan regelgerecht k.o.! Durch seinen Bruder, der ein sehr guter Ringer ist, wurde er auch auf diesen Sport gelenkt. Er hat auf der Matte ebenfalls große Erfolge errungen. Sesta will noch fleißig Fußball spielen und vor allem Geld ersparen. Dann will er sich eine Fleischbank kaufen und ein anständiger Geschäftsmann werden.“

Karl Sesta, abgebildet im offiziellen Match-Programm zwischen England und Österreich, 1932 in London. Sammlung: oepb
Sesta: Fußballer, Humorist und Ringer

Über den grünen Rasen zur Fleischbank – Allroundfußballer

Auszug aus dem Sportblatt vom 29. April 1931

Karl Seszta – eigentlich Sesztak, Sesta – wurde am 18. März 1906 in Wien geboren. Er erlernte den Beruf eines Huf- und Wagenschmied-Mechanikers. Sesta gehörte jener Generation Österreicher an, die zwei grausame Weltkriege er- und auch überlebt hatten. Aber, die sich auch all die Jahre hindurch ihren Humor stets bewahrt hatten und die als Fußballspieler die rot-weiß-roten Farben am ganzen Kontinent und auch darüber hinaus geschickt und erfolgreich vertreten hatten. Ein triftiger Grund also, an das „Bröckerl“ – seine Anhänger nannten ihn liebevoll auch „Blader“ – zu erinnern.

1,65 Meter hoch und satte 84 Kilogramm schwer – so stand Karl Sesta während seiner Fußballer-Laufbahn da. Seine Weitschüsse wurden als wahre Bomben von den gegnerischen Torhütern gefürchtet und das Publikum war stets amüsiert, wenn sich ein Zweikampf Sesta versus Gegenspieler abzeichnete. Der Ringer warf immer wieder seinen ganzen Körper in die Schlacht und avancierte so zum begnadeten Allround-Sportler. Nebenbei boxte er auch noch, lief Wasser-Ski und fuhr in seiner Freizeit Motorrad. Sesta war Stürmer, wurde später jedoch zum „Back“, also Verteidiger, umfunktioniert. Diese Back-Position – ausgesprochen „Bäck“ – wiederum war der Grundstein zu Karl Sestas herrlichster Anekdote:

Die Österreichische Fußball-Nationalmannschaft, die damals als „Wunderteam“ Europas galt, trat in ihrem 150. Länderspiel der Geschichte des ÖFB am Mittwoch, 7. Dezember 1932 an der „Stamford Bridge“ zu London Fulham – Heimspielstätte des FC Chelsea – gegen England an, um ehrenvoll mit 3 : 4 den Kürzeren zu ziehen. Vor Spielbeginn schritt König George V. die Reihe der Gäste vom Kontinent ab. Dabei befragte er unter anderem Karl Sesta, wie ihm seine Arbeit als „Back“ denn gefallen würde. Darauf Sesta, ganz und gar nicht auf den wienerischen Mund gefallen: „Ganz guat, danke! Sie ham aber auch ka schlechte Hack´n Majestät!“

Eine britische Zeitungs-Karikatur über Karl Sesta vor dem Länderspiel England gegen Österreich, 1932 in London. Sammlung: oepb

In Summe sollte es Karl Sesta auf 44 ÖFB-Länderspiele bringen, wobei er nach 1938 und dem politischen Anschluss Österreichs an Hitler-Deutschland auch dreimal für die DFB-Auswahl antrat. Bevor es allerdings soweit kam, erledigte er, Sesta, und der geniale Matthias Sindelar im sogenannten „Anschluss-Spiel Ostmark gegen Altreich“ am 3. April 1938 die deutsche Elf quasi im Alleingang. Sestas Tor zum 2 : 0 für Österreich war ein wuchtiger Direktschuss als Freistoß von der Mittelauflage. Der deutsche Torhüter Hans Jakob rechnete nie und nimmer mit einem Direktschuss aus dieser Entfernung, folglich berechnete er den Ball falsch und musste das Geschoss letztlich passieren lasen.

Doch Direkt- und Weitschüsse, das waren die Spezialität von Karl Sesta. Man musste bei ihm stets auf der Hut sein, um Herr über seine spontanen Aktionen zu werden. Und genau das, diese Agilität, diese Spontanität, dieser spielerische Witz, das liebte das Wiener Publikum an Sesta.

Abseits des Platzes galt er darüber hinaus auch als Multi-Talent. In den Jahren 1924 bis 1926 war er österreichischer Ringermeister im Bantam- und Federgewicht. Eine Tournee des 1. Simmeringer SC nach Schweden kam auch deswegen zustande, da sich Sesta verpflichtete, im Königreich mitunter auch als Ringer auf- und anzutreten. Und einige Jahre später anhand eines Austria Wien-Trips durch Skandinavien legte er, der kleine Wiener Sesta, so nebenbei während der Halbzeit-Pause eines Spiels zwei finnische Ringer auf den Rasen, sehr zum Gaudium des Fußball-Volkes natürlich.

Doch das war immer noch nicht alles im Fußballer-Leben des Karl Sesta. Er war der geborene Entertainer. Österreich trat am 24. Jänner 1937 in Paris gegen Frankreich an – und gewann mit 2 : 1. Am Vorabend war die ganze Mannschaft zu Gast in einem Varieté. Ein Kraftlackl bot von der Bühne herab jenem Menschen, der ihn beim Tauziehen von der Stelle rühren könne 1.000 Francs. ÖFB-Teamchef Verbandskapitän Hugo Meisl – bei seinem letzten Länderspiel, am 17. Februar 1937 sollte er urplötzlich sterben – meinte: „Sesta, gehen Sie hinauf und erledigen Sie das!“ Na, Sesta war in einem Satz auf der Bühne und zog den verdutzten Hünen quer über die Bretter, durch das Lokal hindurch bis hinaus auf die Straße.

Erinnerungs-Postkarte: 1936 Mitropacup-Sieger mit dem FK Austria Wien. Karl Sesta, hinten stehend rechts. Sammlung: oepb

Doch das war immer noch nicht alles. Auch als ausgebildeter Sänger machte er Karriere. Er war im Rundfunk zu hören, gab Vorstellungen im „Ronacher“, trat im Wiener Wurstelprater im „Varieté Leicht“ auf und hatte Konzertangebote aus halb Europa vorzuweisen. Im Jahre 1932 erhielt er mit seinen „Wiener Liedern“ in London die „Goldene Schallplatte“. Mit „Herr Kammersänger!“-Rufen jubelten ihm die Leute auf dem Fußballplatz zu.

Karl Sesta war ein Star seiner Zeit, ein echtes Kraftwerk und Energiebündel, ausgestattet mit einer gehörigen Portion Wiener Schmäh, den er auch lebte. Er war einer der wenigen Teamspieler, der mit seinem Motorrad beim Training vorfuhr. Und – er galt als einer der besten Back´s, also Verteidiger, seiner Zeit des Kontinents.

Nach seiner aktiven Laufbahn – Vorwärts XI, 1. Simmeringer Sportclub, Teplitzer FC, W.A.C., FK Austria Wien, First Vienna FC und Helfort – wurde er Trainer. Hier waren der SK Vorwärts Steyr, die SV Austria Salzburg, der SK Admira Wien, der W.A.C., der Wiener Sport-Club und der BC Augsburg (heutiger FC Augsburg) seine Stationen.

Nebenbei leitete er auch einige Jahre die Hammerbrot-Filiale in der Alserbachstraße in Wien-Alsergrund (9. Bezirk). Bäcker war er dennoch nie.

Unter zahlreicher Anteilnahme fand im Juli 1974 die Verabschiedung von Karl Sesta statt. Am Simmeringer Friedhof wurde er beigesetzt. Sammlung: oepb

Nach seinem Abschied vom aktiven Sport wurde es ruhig um ihn. Gelegentlich traf man ihn gemeinsam mit anderen Alt-Internationalen bei Heimspielen der Vienna auf der Hohen Warte, oder aber am ersten Rang des Wiener Stadions bei der Austria. Am 12. Juli 1974 verstarb Karl Sesta im Alter von 68 Jahren in Hainburg an der Donau. Am Simmeringer Friedhof fand er seine letzte Ruhestätte.

Quelle: Redaktion www.oepb.at

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