Am heutigen 27. März 2021 würde er seinen 94.Geburtstag begehen. Vor vier Jahren, am 4. April 2017 ist Karl Stotz 90-jährig in seiner Wahlheimat Seefeld in Tirol sanft entschlafen. Nach einem Schlaganfall einige Jahre zuvor war er zuletzt auf den Rollstuhl angewiesen.
Anbei daher nochmals unsere Geschichte, die das oepb im Rahmen des 90. Geburtstages am 25. März 2017 veröffentlicht hatte:
Zum 90. Geburtstag / Sir Karl Stotz
Einen Fischerhut aus Schnürlsamt als volkstümlich sprichwörtliches „Stotz-Hütl“! Das assoziierte man mit dem ÖFB-Teamchef in den späten 1970er Jahren hierzulande. Darunter verbarg sich mit Karl Stotz nicht nur ein wahrer Sir der alten Schule, sondern auch ein Feldherr der Österreichischen Fußball-Nationalmannschaft, dessen ÖFB-Bilanz vom 1. August 1978 bis 14. Dezember 1981 mit 13 Siegen, 6 Unentschieden und 5 Niederlagen, Tor-Differenz 43 : 25, einer geschafften WM-Qualifikation für die Endrunde 1982 in Spanien und einer knapp verpassten EM-Qualifikation für die Europameisterschaft 1980 in Italien sehr ordentlich aussah. Wenngleich es ab Dezember 1981 sehr ruhig wurde um die Person des Karl Stotz.
„Namensvetter“ Karl Sekanina, Bundesminister für Bauten und Technik, Obmann der Wiener Gebietskrankenkasse, sowie Abgeordneter zum Nationalrat, meinte in seiner Eigenschaft als allgewaltiger Präsident des ÖFB mit Ernst Happel – im Herbst 1981 als sehr erfolgreicher Trainer beim Hamburger SV tätig – als Teamchef die Lösung für die Nationalelf für die WM-Endrunde in Spanien 1982 gefunden zu haben. Der Plan schlug fehl, HSV-Manager Günther Netzer ließ den Wiener Happel nicht zum ÖFB ziehen. Für Sekanina, der nach geschaffter WM-Qualifikation am 11. November 1981 in Sofia nach einem 0 : 0 gegen Bulgarien noch leutselig in die ORF-Kameras sprach, dass „die beiden Karls das Nationalmannschafts-Kind schon richtig schaukeln würden“, und dabei Stotz freundlich auf die Schulter klopfte, gab es nach dem Happel-Korb aus Hamburg jedoch kein Zurück mehr. Am 14. Dezember 1981 entlässt der ÖFB in Person von Karl Sekanina Karl Stotz – der noch einen Vertrag gehabt hätte – fristlos. Zwei Tage später nimmt der Geschasste dazu wie folgt Stellung: „Ich habe die Kritik des Präsidenten an mir in Globalsätzen, Schlagworten und Blablas immer nur über die Medien erfahren. Mir bleibt keine andere Wahl, als mich an das Arbeitsgericht zu wenden!“ Nun, das Match vor dem Kadi „Stotz versus ÖFB“ ging an den zwischenzeitlichen Privatier Karl Stotz, der Österreichische Fußball-Bund musste eine ordentliche Stange Geld auf den Tisch blättern.
Jahre später sollte Karl Stotz dem oepb auf Anfrage mitteilen, dass er von der Art und Weise der Behandlung des ÖFB im Allgemeinen und der Person des Präsidenten Karl Sekanina im Speziellen derart vergrämt war, dass er mit dem Fußballsport absolut nichts mehr zu tun haben wollte. Nun, es stimmte in gewisser Weise. Lediglich Kommerzialrat Leopold Böhm, Architekt der Handelskette Schöps Textil und großzügiger Gönner des FavAC (Favoritner Athletikclub) gelang es, Karl Stotz als Berater für den Wiener Oberhaus-Neuling 1983 zu gewinnen. So arbeitete Stotz zuerst sehr eng mit Coach Hans Hörmayer und nach dessen Ablöse mit Adolf Blutsch zusammen, was Neuverpflichtungen anlangte. Die „Einkäufe“ eines Didi Constantini, Francisco Marcelo, Alberto Martinez, Josef und Robert Sara und dergleichen schlugen ein. Der FavAC konnte im ersten Jahr die Bundesliga-Zugehörigkeit sichern, stieg jedoch ein Jahr später, im Juni 1985, aufgrund einer Liga-Abstockung von 16 aus 12 Vereine in die 2. Division ab.
Als Stotz gegen Spanien brillierte
Sechs Wochen zuvor waren in Rom die Olympischen Sommerspiele 1960 beendet worden. Österreich war durch den Schützen Hubert Hammerer zu einer Gold- und durch die Linzer Ruderer Alfred Sageder und Josef Kloimstein zu einer Silbermedaille gekommen. Das war eine bessere Bilanz als die Spaniens, das sich mit einer Bronzemedaille zufrieden geben musste. Am 30. Oktober 1960 erwartete die Österreichische Fußball-Nation „La Furia Roja“ im Wiener Praterstadion. „Als Außenseiter gegen Spaniens Weltklasseteam“ – so hieß es in den Match-Vorschauen in den Tageszeitungen. Man räumte der ÖFB-Auswahl nur sehr wenig ein. Dass die Spanier einige Tage zuvor in Wembley gegen England mit 2 : 4 unterlagen, trug nichts dazu bei, den Optimismus bei den Österreichern zu verstärken. Auch die Bilanz war schmal: einem Erfolg 1936 in Madrid mit 5 : 4 standen drei Niederlagen gegenüber. Im letzten Probegalopp fertigte man den Rennweger SV mit 17 : 2 ab. Teamchef Karl Decker und sein Team schöpfte Mut.
Tags zuvor einigte man sich noch mit dem ORF, die letzten 20 Minuten des Länderkampfes im Fernsehen direkt zu übertragen. Der ÖFB erhielt dafür 50.000 Schilling (EUR 3.634,-). Am 30. Oktober 1960 pilgerten 90.593 Besucher – davon 88.391 zahlende Zuschauer – zum Spiel, die dem ÖFB eine Brutto-Einnahme von 1,3 Millionen Schilling (EUR 94.475,-) bescherten. Dies alles waren jedoch „nur“ nackte Zahlen, die nicht weiter wogen. Gewichtig war nur eines: Österreich schlägt Spanien 3 : 0! „Nichts trübt dieses Glanz“, so jubelte man. Nie zuvor waren Gerhard Hanappi und Karl Koller so gut aufeinander eingespielt, nie zuvor war Karl Stotz so überlegen in der Abwehr und selbst Horst Nemec, mit dem die Reporter selten zufrieden waren, durfte sich freuen. Ihm, dem bulligen Typ schrieb man zu, dass er das Stürmerspiel unablässig ankurbelte und diese seine Leistung mit einem herrlichen Tor krönte. Die Madrider Zeitung „La Hoja del Lunes“ titelte am nächsten Tag: „Unser Gegner, der das System der Konterangriffe anwendete, bot eine große Partie, in der die Begeisterung aller Spieler Funken schlug.“ Dass den großen Stars wie Alfredo Di Stefano und Francisco Gento kein einziges Tor in diesem Spiel gelungen war, konnte man nicht glauben. Sie machten gegen Karl Stotz keinen Stich. Die Niederlage gegen England nahmen die stolzen Spanier hin, jene von Wien war ein Schock.
Lebenslauf und Werdegang
Karl Stotz wurde am 27. März 1927 in Wien geboren. Er erlernte den Beruf eines Feinmechanikers, der er später am grünen Rasen zwar nicht unbedingt zwingend gewesen war, dennoch bewies er Übersicht und Nervenstärke. Der Zweite Weltkrieg brachte ihn als eingerückten 17-Jährigen und einer Gefangenennahme in der Tschechoslowakei bis ins Lager nach Stalingrad.
Dort arbeitete er in einer Fabrik. „Zu essen hatten wir nicht viel, aber niemand hatte genug zu essen, auch die Russen nicht.“, erinnerte er sich später an diese schwierigen Jahre zurück. Eine Typhus-Epidemie raffte nach 1945 beinahe die Hälfte der Gefangenen-Lager-Insassen hinweg. Stotz hatte „Glück im Unglück“ und überlebte im Krankenlager. Ihn erwischte lediglich eine „leichte“ Form der Krankheit.
Zu dieser Zeit war Karl Stotz auch kein unbekannter Fußballer mehr. Bereits mit 11 Jahren kam er zum FC Wien, der damals der stärkste und größte Klub in Favoriten war. Der FK Austria Wien sollte erst Jahrzehnte später in Wien-Favoriten ansässig werden. Stotz debütierte mit 17 in der Kampfmannschaft des FC Wien. Er meinte dazu, dass dies für junge Spieler 1944 leichter war, denn der Großteil der Mannschaft kämpfte bereits im Feld für die Deutsche Wehrmacht. „Papa Alois Watzinger“, so Karl Stotz, führte beim FC Wien ein strenges Regiment und selektierte zwischen „taubem und wertvollem Material“. „Watzinger entdeckte und förderte mich. Freilich half mir das in Stalingrad, tausende Kilometer von Wien entfernt, nicht viel.“, so Karl Stotz in seiner Erinnerung. Oder etwa doch? Am „Schwarzen Brett“ stand eines Tages in gebrochenem Deutsch zu lesen: „Fußballer sollen sich für den Aufbau einer Lagermannschaft beim Lager-Kommando melden.“ „Wir hatten einen Stellvertreter des Lagerleiters bekommen, der sehr fußballbegeistert war. Natürlich meldeten sich viele, auch jene, die einen Ball gerade noch treffen konnten. Ich war auch dabei. Aber man darf sich nicht vorstellen, dass wir eine gute Mannschaft waren, so kraftlos und ausgemergelt wie wir waren. Und dennoch war der Fußballsport unser Rettungsanker, denn von da an mussten wir weniger arbeiten, um mehr trainieren zu können und auch die Ernährung wurde ein weniger „üppiger“, wenn man das so sagen kann. Gemeinsam mit acht Ungarn, darunter vier einstige Nationalspieler, einem Deutschen und einem Rumänen stand binnen kürzester Zeit die Elf. Der russische Fußball-Fanatiker ward zufrieden.“, so Karl Stotz in seiner Erinnerung an jene Jahre im Lager.
Nach einer dreijährigen Gefangenschaft kehrte er im Winter 1947/48 mit knapp 21 Jahren nach Österreich und Wien zurück. Doch an sofortigen Fußball war nicht zu denken. Der FC Wien hatte wieder eine gute Mannschaft und er, Stotz, brauchte eigener Aussage nach einige Monate, um wieder zu Kräften zu gelangen. Und doch fand er sehr rasch wieder Anschluss im zerbombten Nachkriegs-Wien und auch die Gedanken wurden durch die körperliche Ertüchtigung wieder heller und freundlicher. Sein Nachkriegs-Debüt – damals hieß die höchste österreichische Spielklasse noch „Wiener Liga“ – bei seinem Stamm-Verein, dem FC Wien, gab Karl Stotz am Sonntag, 29. August 1948 beim 1 : 2 „auswärts“ im Praterstadion vor 12.000 Zuschauern gegen den FK Austria Wien, einem Verein, der seinen späteren Lebensweg noch sehr entscheidend prägen sollte. 3 ½ Spielzeiten war der talentierte und gelernte „Stopper“ Stotz in 75 Oberhaus-Spielen mit 10 Toren für den heute nicht mehr existenten FC Wien, aktiv, ehe er im Winter 1951/52 das Angebot der Wiener Austria zum Vereinswechsel annahm. Austria und RAPID klopften beide gleichzeitig bei Stotz an, der ausführt: „Papa Watzinger wollte mich nicht ziehen lassen, merkte aber sehr bald schon, dass ich wohl nicht zu halten bin. Also schraubte er die Ablösesumme in die Höhe, die die Austria anstandslos für mich bezahlte. Ich war darüber froh, denn ich war immer schon ein Austria-Anhänger.“
So bestritt Stotz am Sonntag, 9. Dezember 1951 sein letzten Spiel für den FC Wien just gegen seinen künftigen Verein, den FK Austria Wien. Die Violetten gewannen vor 8.000 Zuschauern am FC Wien-Platz mit 1 : 0. Sein Debüt für die Austria gab er ebenfalls an einem Sonntag, den 9. März 1952. 48.000 Zuschauer erlebten im Wiener Praterstadion einen 3 : 1-Derbysieg von RAPID über die Austria. Seine Spiel-Premiere in Violett gestaltete sich demnach für ihn unerfreulich. Nichtsdestotrotz folgten 11 ½ Jahre FAK, bestehend aus 269 Staatsliga-Partien mit 19 Toren für die Violetten. In diesen Jahren, von 1952 bis 1963, holte Karl Stotz mit „seiner“ Austria 4 Meisterschaften – 1952/53, 1960/61, 1961/62 und 1962/63 – sowie 3 Cupsiege: 1959/60, 1961/62 und 1962/63. Karl Stotz wurde demnach zweimal hintereinander mit dem FAK Double-Sieger, also Gewinner von Meisterschaft und Cup. Auch die Wiener Stadthalle war 1959 und 1963 zweimal erfolgreich als Sieger von Karl Stotz mit den Wiener Violetten verlassen worden.
Sein Debüt in der Österreichischen Fußball-Nationalmannschaft gab Stotz am 19. März 1950 in Wien vor 60.000 Zuschauern bei einem 3 : 3 gegen die Schweiz. Dazu Stotz in seiner Erinnerung: „Der ehemalige Wunderteam-Spieler und nunmehrige Teamchef Walter Nausch nominierte mich für das Nationalteam. Ich bildete mit Happel ein Verteidigerpaar. Das 3 : 3 gegen die Schweiz war eher enttäuschend und ich sah bei der Premiere nicht gerade gut aus. Das wusste ich damals und es war für mich nicht verwunderlich, dass ich zwei Jahre kein Teamleiberl mehr gesehen hatte. Erst am 23. März 1952 – 2 : 0-Erfolg gegen Belgien – stand ich wieder in der Start-Elf von Österreich.“ Es folgten in Summe 42 A-Länderspiele. Darunter auch die erfolgreiche Teilnahme Österreichs in der Schweiz anlässlich der Fußball-WM 1954 mit dem historischen 3. Platz. Stotz war auch 1958 dabei, als Österreich bei der Fußball-WM in Schweden antrat. Damals qualifizierte sich die ÖFB-Auswahl noch für solche Groß-Ereignisse, wenngleich das sportliche Aus in Schweden bereits nach der Vorrunde feststand.
Karl Stotz war auch ein fester Bestandteil jener National-Elf, die in den frühen 1960er Jahren nicht nur als Team der „Karl Decker-Ära“ galt, man sprach damals sogar von einem zweiten und neuen „Fußball-Wunderteam“. Pikanterie am Rande war, dass Österreich gegen sämtliche große Nationen fußballerisch bestand und dabei gute Erfolge erzielen konnte – 4 : 1 gegen Schottland, 2 : 1 in Oslo gegen Norwegen, 3 : 1 gegen die UdSSR (heutiges Russland), 3 : 0 gegen Spanien (siehe bitte oben), 2 : 1 in Neapel gegen Italien, 3 : 1 gegen England, 2 : 1 in Budapest gegen den „Lieblings-Feind“ Ungarn, 1 : 0 in Moskau gegen die UdSSR, 2 : 1 gegen Ungarn und dergleichen – aber aufgrund chronischer Geldknappheit beim ÖFB die Qualifikation für die Fuball-WM 1962 in Chile gar nicht bestritt. Man befürchtete, das Team bei einer etwaig erfolgreichen Qualifikation gar nicht nach Südamerika entsenden zu können. Die Reisekosten für den ÖFB-Tross wären schlichtweg zu hoch gewesen und die zahlreichen ÖFB-„Bettel-Briefe“ an die heimische Wirtschaft fruchteten nichts. Die ganze Finanz-Misere beim ÖFB ging damals sogar soweit, dass Teamchef Karl Decker, der die Teamspieler brieflich einberief, die dafür nötigen Briefmarken dazu nicht aus der berühmten „Portokasse“ bezahlen konnte, sondern aus seiner eigenen Tasche berappen musste. Es wäre sicher interessant gewesen, wie sich dieser damalige ÖFB-Top-Jahrgang im Falle einer Qualifikation für Chile 1962 in Südamerika geschlagen hätte. Erfahren wird man es leider nie.
Gemeinsam mit Ernst Happel fand Karl Stotz auch zweimal die Aufnahme in die Fußball-Weltauswahl. Einmal in Amsterdam gegen Barcelona und einmal in einer FIFA-Elf gegen England. Karl Stotz Jahre später über „Aschyl“ Happel: „Ein hochanständiger Kamerad und Freund und einer der verlässlichsten Spielpartner überhaupt. Er war ein perfekter Fußballer, der nahezu alles konnte. Vielleicht ist er nur ein bisserl leichtsinnig gewesen.“
Sein einziges Team-Tor gelang Karl Stotz am 26. Mai 1957 aus einem Elfmeter. Österreich lag zur Pause im WM-Qualifikationsspiel gegen Holland in Wien mit 0 : 2 im Rückstand. Karl Koller und Hans Buzek glichen in der zweiten Halbzeit aus, dennoch musste ein voller Erfolg her. Als der Deutsche Schiedsrichter Emil Schmetzer nach einem Foul an Otto Walzhofer in der 87. Minute auf den ominösen Punkt zeigte, verweigerte Ernst Happel die Exekution des Strafstosses. Der Gefoulte, Walzhofer, blieb als etwaiger Vollstrecker abergläubisch und fiel auch aus. Stotz übernahm Verantwortung, bewies Nervenstärke und verwandelte den Penalty sicher zum 3 : 2-Erfolg für Österreich. Die Zeitungen am nächsten Tag wussten freudig zu berichten: „Das erste Teamtor von Stotz bringt uns zur Fußball-WM 1958 nach Schweden“.
Am 16. September 1962 war für den 35-Jährigen in der Nationalmannschaft Schluss. Österreich verlor gegen die Tschechoslowakei in Wien vor 76.000 Zuschauern sang- und klanglos mit 0 : 6. Neun Monate später dann überhaupt sein letztes Spiel. Karl Stotz läuft am 12. Juni 1963 zum letzten Mal für die Austria auf … um gegen RAPID abermals, diesmal mit 0 : 3, den Kürzeren zu ziehen.
Die Karriere nach der Karriere
Im Sommer 1960 hätte betreffend der aktiven Laufbahn eigentlich Schluss sein sollen. Doch der damals 33-Jährige ließ sich dazu überreden, weiter fußballerisch tätig zu sein und die Junge Garde der Austria mit seiner Routine anzuführen. Die drei Meistertitel von 1961 bis 1963 en suite sind Legende und Geschichte. Was war geschehen? „Joschi“ Walter übernahm das Ruder beim FAK. So sehr er, Walter, die Austria auch liebte, so sehr setzte er den Rotstift an. Sparen hieß die Devise. Der Kader wurde verkleinert und verjüngt und der Libero in der Person von Karl Stotz als gleichzeitiger Sektionsleiter bestellt. Stotz war somit Walter´s verlängerter Arm am Rasen. Die Idee schlug ein, die oben erwähnten drei gewonnenen Meisterschaften und zwei Cupsiege 1962 und 1963 sprangen dabei heraus. Im Sommer 1963 war, wie erwähnt, endgültig Schluss, Karl Stotz wurde an der Seite von Austria-Trainer Eduard „Edi“ Frühwirth sportlicher Leiter.
Nach einigen Jahren in der Privatwirtschaft – ein Austria-Funktionär vermittelte ihm einen guten Posten als Verkäufer von Rechenmaschinen, aus denen später elektronische Rechner und ganze Anlagen zur elektronischen Datenverarbeitung wurden – kehrte Karl Stotz im Sommer 1972 zu seiner großen alten Liebe, dem FK Austria Wie, zurück – als Chef-Trainer. Und er tat genau das, was sich 10 Jahre zuvor bei der Austria bereits einmal bewährt hatte, er baute auf die Jugend. Kein Mensch kannte damals einen Ernst Baumeister, Felix Gasselich, Erich Obermayer, einen mit der feinen Klinge agierenden Lockenkopf namens Herbert „Schneckerl“ Prohaska, einen Karl Daxbacher oder Josef Sara. All diese hoffnungsvollen Talente fanden ihren behutsamen Auf- und Einbau in den violetten Kampfmannschafts-Kader-Stamm um Helmut Köglberger, Edi Krieger, Robert Sara, Ernst „Dralle“ Fiala und dergleichen. Karl Stotz pflanzte die Saat für die künftige „Goldene Generation der Austria“. In den Jahren 1974 bis 1986 holte der FAK 8mal die Meisterschaft !!! und gewann 5mal den Cup-Titel. Auch 9 Triumphe in der Wiener Stadthalle fuhr dieser Kader der Wiener Violetten quasi spielerisch ein. Herrliche Erfolge für die Ewigkeit. Und international reüssierten die Stotz-Spieler detto. 1978 stand die Austria als erste österreichische Mannschaft in einem europäischen Pokal-Endspiel, und ein Jahr später drang man bis in Halbfinale im Europapokal der Meister vor.
Gewiss, die sportlichen Ehren und Lorbeeren heimsten andere ein, da Karl Stotz immer nur kurzfristig auf der Austria-Bank – 1972/73 und 1976/77 – saß. Aber seine Spieler, die er entdeckte und gefördert hatte, die schlugen allesamt ein. Das Fundament dieses damaligen Erfolges in Violett hatte einen Baumeister – Karl Stotz.
Wieder war es ruhig geworden um ihn und auch sein Engagement beim FavAC – siehe oben – war beendet. Dennoch ließ er sich noch einmal dazu überreden, als Sportdirektor beim FAK neuerliche Aufbauarbeit zu leisten. Im Sommer 1987 war das. Die „Goldene Generation“ war in die Jahre gekommen und nach dem Verkauf von Parade-Stürmer Anton „Toni“ Polster nach Turin und der verpassten Meisterschaft anhand eines 2 : 2 beim SK Sturm Graz wollte man sich neu erfinden im Hause Violett. Nun, man kann es vorweg nehmen, „Gut Ding braucht Weile“ und die Konkurrenz aus dem geheiligten Land Tirol war schier übermächtig geworden. Der Kristallkonzern Swarovski angelte sich Ernst Happel und der mit Pump und Gloria ein Jahr zuvor aus der Taufe gehobene FC Swarovski Tirol sollte der künftige österreichische Serien-Meister werden. Abermals fanden Talente den Weg in die violette Kampmannschaft: Ernst Mader, Christian Prosenik, Ernst Ogris, etc. Doch ein Umbruch dauert und etwaiger Erfolg kommt nicht von heute auf morgen. Aber ein 1 : 5 bei Bayer 04 Leverkusen im UEFA-Cup und 10 Punkte Rückstand auf Tabellenführer RAPID in der Meisterschaft ließen die violette Fan-Seele sehr bald schon murren, ehe das Fass komplett zum Überlaufen gelangte. Anfeindungen, Sprech-Chöre, zahlreiche Transparente gegen Stotz, die seine Ablöse propagierten und sogar Polizeischutz für ihn nach Heimspielen „seiner“ Austria waren zuviel geworden. „Joschi“ Walter nahm ihn aus der Schusslinie. Am Sonntag, 18. Oktober 1987 nach einem 2 : 1-Erfolg über den SK Austria Klagenfurt vor 1.300 Zuschauern im Horr-Stadion war die Karriere von Karl Stotz beendet.
Pech im Spiel, Glück in der Liebe
Viele Jahre zuvor, im April 1980, nach einem Länderspiel Österreichs mit der Nationalmannschaft in München, traf Karl Stotz an der Hotel-Rezeption auf seine zweite große Liebe, Sylvia, eine Hoteliers-Tochter aus Seefeld in Tirol. 1989 wurde geheiratet und nachdem der Fußballsport hinter ihm lag, folgte nun eine neue Karriere, nämlich jene eines Hoteliers an der Seite seiner charmanten Gattin. Karl Stotz übersiedelte von Wien nach Seefeld und beobachtete den hiesigen Fußballsport nur mehr aus der Distanz. Seine neue Leidenschaft war der Langlauf- und der Golfsport, mit dem er sich bis ins hohe Alter fit gehalten hatte.
Neben seiner Leidenschaft für den Fußballsport ging er sehr gerne und auch oft ins Wiener Burgtheater und besuchte Rhetorik-Kurse. Er bildete sich stets weiter und verschlang Bücher.
Es ist genau genommen unglaublich, dass Karl Stotz am kommenden Montag, 27. März 2017 seinen 90. Geburtstag feiert! Unglaublich deswegen, da die Arbeit an diesem Artikel so viele Erinnerungen an Ereignisse wach gerufen hatte, die zwar schier ewig her sind, dennoch durch die Recherche und das Innehalten an gewisse Momente und Spiele allgegenwärtig wurde.
Karl Stotz tat viel für den Fußballsport hierzulande, sehr viel sogar. Sein Auftreten und seine Freundlichkeit, aber auch seine Art, junge Menschen zu führen, gaben ihm Recht und der sportliche Erfolg stellte sich immer wieder ein. Auch, wenn er selbst nicht immer in die Gunst von Trophäen und Erinnerungs-Medaillen kam, da nach seiner wertvollen Aufbauarbeit die zu Ehrenden andere waren. Karl Stotz dribbelte sich nie ins Rampenlicht, blieb – bis heute – der sonore, ruhige, stets eines echten Sirs gleich im Hintergrund agierende Herr, der er immer war. Möge er im Kreise seiner Familie noch sehr viele schöne Jahre im geheiligten Land Tirol verbringen. Und gebühre ihm nachhaltiger Dank für all das, was er dem Fußballport und so vielen Menschen in Österreich geschenkt hatte.
Quelle: oepb
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Anbei noch ein paar Karl Stotz Zitate:
„Aus einem so wirren Haufen, wie ihn elf Fußballer bilden, etwas Kompaktes wie eine Mannschaft zu formen, ist doch etwas Großartiges, etwas ungemein Reizvolles.“
„Es wäre alles doch so schön im Fußballsport, gäbe es am Ende kein Resultat …“
„Vor mir hat keiner Angst g´habt! Der Erich Hof hat einmal gesagt, dass ich ein so ein netter Verteidiger bin, den gibt es kein zweites Mal. Ein tolles Kompliment für einen Abwehrrecken, beinahe schon zum Verstecken. Aber der Hof und ich, wir waren trotzdem gute Freunde.“
„Die Österreichische Nationalmannschaft wollte ich schon immer trainieren. Dieser Gedanke reifte in mir am Ende meiner aktiven Laufbahn.“
„Die Sprache hatte mich immer schon ungemein fasziniert. Wir können in Österreich stolz darauf sein, mit so einer herrlichen Sprache vertraut zu sein und mit ihr aufzuwachsen.“