Paukenschlag und Trommelwirbel gestern Abend in Wien! Österreich führt nach sechs Minuten in einem Länderspiel – und das mit sage und schreibe 2 : 0. Der Gegner, die Türkei, aktuell 29. Platz der FIFA-Weltrangliste, wurde schlichtweg überrumpelt.
Die Türkei eröffnete den freundschaftlichen Fußball-Länderkampf, verliert aber rasch das Leder an die in Rot-Schwarz-Rot angetretenen Hausherren. Nach gezählten 52 Sekunden prüft Andreas Ivanschitz mit einem scharfen Schuss erstmals Fehmi Mert Günok, der zu diesem Zeitpunkt noch parieren kann. Kurze Zeit später landet ein Günok-Abschlag direkt vor den Beinen des Wieners mit den türkischen Wurzeln, Veli Kavlak, und dieser fackelt in seinem 18. Länderspiel nicht lange und überlistet mit einem Heber besagten Keeper Günok. 1 : 0 in der zweiten Spielminute. In dieser Tonart ging es weiter. Martin Harnik dringt in den Strafraum ein, wird von Torhüter Günok gefoult, der dafür die Gelbe Karte präsentiert bekommt. Der slowakische Schiedsrichter Jan Valasek deutet sofort auf den Elfmeter-Punkt. Team-Routinier Andreas Ivanschitz lässt sich in seinem 56. Länderspiel die Chance auf sein 10. Tor im Team nicht entgehen, trocken verwertet er den Penalty zum 2 : 0.
Diese rasche und völlig unerwartete Führung ließ das leider nur halbvoll gefüllte Prater-Oval in seinen Grundfesten erbeben. „Immer wieder Österreich“ hallte es mehrmals lautstark durch das weite Rund, aber auch die nicht gerade wenig anwesenden türkischen Zuschauer hielten lautstark dagegen – es entwickelte sich ein prächtiger Bahöl auf den Rängen und die Woge der Begeisterung – die in der Laola-Welle mündete – schwappte hin und her.
In der 19. Minute lauerte erstmals eine Gefahr auf Thomas Almer im ÖFB-Gehäuse. Ein platzierter und knallharter Schuss von Hamit Altintop wird von Almer neben das Tor gelenkt. Der daraus resultierende Eckball war der Auftakt zu vier türkischen Cornern in der ersten Halbzeit. Österreich konnte zu diesem Zeitpunkt keinen Eckball für sich verbuchen, führte aber immerhin mit 2 : 0. Darüber hinaus schnappte in der ersten Hälfte die türkische Abseitsfalle mehrmals zu. Die österreichischen Angriffe versandeten vor dem Seitenwechsel viermal darin.
Bis zur Halbzeit tat sich nicht mehr allzu viel und der Blick ins Stadionrund zur Pause zu den anwesenden 23.500 Zuschauern verriet, dass quasi wieder ganz Österreich hinter seiner Nationalmannschaft steht. Was sind schon etwaige sportliche Pleiten bei Sommer-Olympiaden, wenn ein Ländermatch ansteht? Da wird vermehrt angereist und im Kollektiv angefeuert. Man war und ist wieder frohen Mutes, wenn die ÖFB-Elite antritt. Anhänger von Austria Salzburg, RAPID, Linzer ASK, Austria Wien, aber auch aus Altheim, Hofstetten, dem Pielachtal und dergleichen sorgten für eine bunte und lautstarke Fan-Kurve hinter dem Tor. Der lautstarke Jubel setzte sofort wieder ein, als Teamchef Marcel Koller seine Elf zur zweiten Hälfte auf das Feld entsandte. Vom türkischen Gegner war zu diesem Zeitpunkt weit und breit keine Spur. Martin Harnik und Zlatko Junuzovic eröffneten für Österreich die zweite Spielhälfte, in der nun die Türkei mehr und mehr das Zepter an sich riss. Erneut ein sehenswerter Freistoß-Schuss von Altintop in der 50.Minute sollte Zeugnis dafür sein, dass die Türkei nun kommen werde. Und dies auch tat. In der 66. Minute überspielt der für Arda Turan zur Pause eingewechselte Tunay Torun zahlreiche Teile der österreichischen Abwehr und spitzelt das Leder aus sehr spitzem linkem Winkel am geschlagenen Almer … und auch am Torgestänge vorbei. Ein großes Glück für Österreich in diesem Moment. Im Gegenzug setzt Markus Suttner zu einem satten Torschuss an, leider ohne zählbaren Erfolg. Die eingewechselten Teamspieler Jakob Jantscher – er kam nach 62 Minuten für Andreas Ivanschitz – Rubin Okotie – er löste Martin Harnik in der 72. Minute ab und Guido Burgstaller in der 84. Spielminute für Christian Fuchs, wirbelten die türkischen Abwehrreihen noch einmal gehörig durcheinander. Burgstaller passt nach 85 Minuten auf Jantscher und der Salzburger schießt knapp über das Tor. Kurz darauf hat Burgstaller selbst mit einem Kopfball Pech, das 3 : 0 sollte nicht mehr passieren.
In die turbulente Schlussphase hinein liefen urplötzlich und wie aus dem Nichts fünf türkische Fans, die kurzerhand über die Balustrade gesprungen waren und in friedlicher und freundlicher Absicht auf das Feld zu ihren Spielern sausten. Diese wurden jedoch, zur Volksbelustigung unter den Zuschauern, von den zahlreichen nachstolpernden Ordnern wieder eingesammelt. Die aus der Spielunterbrechung von 4 Minuten resultierende Nachspielzeit brachte nichts mehr ein, um 22.25 Uhr war der Abend für sämtliche Akteure beendet. Die Erfolgskurve der Österreichischen Fußballnationalmannschaft unter Teamchef Marcel Koller wandert somit weiterhin nach oben. Die ÖFB-Auswahl verbuchte im fünften Spiel unter dem Schweizer Feldherrn den dritten vollen Erfolg. Im Jahre 2012 ist man ohnehin noch ungeschlagen. Und der Sieg gestern Abend im Ernst Happel-Stadion zu Wien war sogleich der erste Triumph gegen die Türkei seit dem 2. November 1988. Damals bezwang man die Osmanen in Wien mit 3 : 2. In dieser Tonart kann es weitergehen, am besten gleich am 11. September 2012 gegen Deutschland zum Auftakt und im Zuge der Fußball-Weltmeisterschafts-Qualifikations-Spiele 2014 für Brasilien.
Erwähnenswert neben den siegreichen Spielern am gestrigen Abend war einmal mehr Andy Marek. Die Stimme RAPIDs verstand es gekonnt, die Zuschauer in Stimmung zu versetzen und die tolle Atmosphäre im Stadion anzuheizen.
Stimmen zum Spiel:
Abdullah Avci/Teamchef Türkei: „Das Spiel begann für uns schlecht. Dennoch haben wir in gewissen Phasen gut gespielt und einige Chancen nicht verwertet. Wir werden sicherlich unsere Lehren aus diesem Spiel ziehen.“
Veli Kavlak/Torschütze zum 1 : 0: „Die Türkei ist die Heimat meines Vaters. Ich bin froh, dass ich das Tor gemacht habe. Jetzt kommt Deutschland. Wir sind gewappnet.“
Christian Fuchs/Neo-ÖFB-Teamkapitän: „Hinten sind wir taktisch sehr gut gestanden und haben nicht viel zugelassen. Die rasche Führung tat uns sehr gut.“
Andreas Ivanschitz/Torschütze zum 2 : 0: „Meine Position war heute rechts im Mittelfeld. Ich habe die Position schon lange nicht gespielt. Spielerisch war die Partie nicht das Gelbe vom Ei. Mit dem Sieg haben wir aber ein wichtiges Zeichen gesetzt. Und auch zu Null gespielt.“
Martin Harnik/agierte als Mittelstürmer: „Ich kann mich gar nicht erinnern, wann ich diese Position zuletzt gespielt hatte. Offensiv können wir sicherlich noch mehr tun in Zukunft.“
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