Der Fußballklub Austria Wien ist, neben dem grün-weißen Stadt-Rivalen aus Hütteldorf, jener Verein, der hierzulande am meisten polemisiert. Man liebt die Veilchen, oder aber verachtet sie, jedoch gleichgültig sind die Wiener Violetten wohl kaum jemandem. Der FAK ist aber stets ein Verein gewesen, der, obwohl seit 1911 ununterbrochen der obersten österreichischen Spielklasse angehörend, auch immer wieder einmal unten war, nach vorherigen tabellarischen Höhenflügen. Graues Mittelmaß waren die früheren Amateure, heutige Austria nie. Und genau das ist auch der Reiz, der diesen Verein umgibt. Man liebt und leidet mit ihm mit, schimpft nach Niederlagen, verwünscht ihn ins Nirwana, um dann eine Woche später doch wieder brav und ordentlich und vor allen Dingen getreu ins Stadion zu den jeweiligen Spielen zu pilgern.
Die letzten Jahre lieferte die Austria ihrem zahlreichen Anhang eine wahre Achterbahnfahrt der Gefühle. Auf Himmelhoch jauchzend, folgte sehr bald wieder ein zu Tode betrübt. Und nichts desto trotz wuchtete man sich aus jeder Krise wieder hoch, um in voller violetter Pracht und Blüte zu stehen, auch und gerade nach tagelangem Regenwetter.
Die Ära Magna/Frank Stronach ward anno 2007 beendet und nach diesem finanziellen Patriarchentum glaubte der Neider und Missgönner den FAK am spielerischen Vereins-Sterbebett zu wissen. Doch gevifte Manager und emsige Helferleins rund um das Team Wolfgang Katzian als Präsident und Markus Kraetschmer als Finanz-Manager geleiteten die Austria in geregelte finanzielle Bahnen und stellten diesen Verein auf absolut gesunde Füße. Dass in dieser Zeit die Austria-Akademie für den künftigen violetten Nachwuchs am Standort Favoriten etabliert wurde, das Franz Horr-Stadion nicht nur zur Generali-Arena avancierte, sondern auch in Form von Rasenheizung, neuem Flutlicht, Bau der Ost-Tribüne, Museums-Einweihung, Parkplatz-Erweiterung und Adaptierung, sowie bis heute noch nicht abgeschlossenem Aus- und Umbau des gesamten Areals in Angriff genommen wurde, vergisst der geneigte Anhänger gerne. Auch, dass die Austria Dank der Champions-League-Teilnahme im Herbst 2013 ein gesunder und schuldenfreier Verein ist, wird gerne übersehen. Entscheidend ist immer noch „auf´m Platz“ und da ist der FAK aktuell und zur Stunde Zehnter und somit Letzter der Österreichischer Fußball-Bundesliga. Markus Kraetschmer schämte sich für die Leistung seines Teams beim 1 : 2 am Wochenende in der Südstadt gegen Admira/Wacker. Doch mit schämen alleine ist es leider nicht getan.
Dem aktuellen Kader fehlen im Moment Führungsspieler, die lautstark auf den Tisch hauen. Vor gut 30 Jahren hatte der FAK ein Team, in dem es vor Alpha-Tieren nur so gewimmelt hatte. Nach dem Abgang des Aushängeschildes Herbert Prohaska 1980 nach Italien waren Spieler wie Felix Gasselich, Ernst Baumeister, Friedl Koncilia, Robert Sara, Erich Obermayer, Toni Polster und Konsorten gefragt, die sich alle förmlich ihr Herz für die Wiener Violetten zerrissen und stets den gemeinsamen Erfolg vor Augen hatten. Diese Kicker-Generation ist leider ausgestorben. Heute sind Akteure am Platz anzutreffen, die rasch zufrieden zu stellen sind und sich mit dem Erreichten, so es denn etwas zu erreichen gab, wohlwollend abgefunden haben. Dem echten Violetten blutet heute noch das Herz, dass es am Ende der Spielzeit 2012/13 nicht das begehrte Double gab, sondern man im Cup-Finale gegen den Drittligisten aus der Linzer Vorstadt, nämlich Pasching, mit 0 : 1 sang- und klanglos vor die Hunde ging. Kapitän Manuel Ortlechner flötete nach dem Finale, „dass wir Meister sind, da wäre so eine Cupfinal-Niederlage schon zu verschmerzen.“ Na bumm, der Rekord-Cupsieger vergeigt gegen einen Drittligisten völlig verdient das Endspiel und niemanden stört es. Dazu sei eine Geschichte vom Cup-Finale 1985 erwähnt. Die Austria war Meister und hatte das Double vor Augen. Im Finale wartete RAPID. Nach 90 Minuten stand es 1 : 1, nach 120 Minuten 3 : 3. Im Elfmeterschießen gewannen die Hütteldorfer mit 6 : 5. Johann Dihanich, der Gendarm aus Klingenbach, war über die Final-Niederlage derart erbost, dass er seine vom ÖFB überreichte Silber-Medaille nach dem Spiel sofort einem Ballschani vermachte, um an diese, für ihn und die Austria gemahnende Schmach, nie mehr wieder erinnert zu werden …
Schleudertrauma Chef-Sessel
Die Austria gilt gemeinhin in der Bundesliga als Trainer-Friedhof. Dieser unschöne Titel ist ein Ergebnis Jahrzehnte langer harter Arbeit. Unvergessen die Ablöse von Ein-Jahres-Coach Thomas Partis 1985, der mit dem FAK mit 54 Punkten aus 30 Spielen (bei 2-Punkte-Regel für den Sieg) Meister geworden, in 20 Spielen kein Tor zugelassen, Tor-Differenz 56 : 0, vom allgewaltigen Joschi Walter vor die Tür gesetzt wurde. So gesehen war die dreieinhalbjährige Tätigkeit von Karl Daxbacher in der jüngeren Zeit von Mai 2008 bis Dezember 2011 schon eine geschichtsträchtige Epoche. Auch hier endete das Verhältnis abrupt. 8 erzielte Punkte (darunter, aus aktuellem Anlass, zwei Siege gegen Malmö FF) in der Europa League, Platz Zwei und Aufstieg wurde lediglich aufgrund der schlechteren Tor-Differenz gegenüber dem AZ Alkmaar verpasst, Platz 3 in der Bundesliga nach 18 Runden, 3 Punkte hinter dem Ersten SV Ried – und dennoch Abflug für „Sir Karl“ nach einem 0 : 3 bei FC Salzburg in Runde 19. Es wurde gemunkelt, dass hinter dieser Ablöse eine violette Sponsor-Gruppe stand. Auf Daxbacher folgte der Chef-Trainer-Neuling und völlig überforderte Ivica Vastic. Dennoch hielt dieser die Austria bis am letzten Spieltag im Geschäft, erst nach dem 1 : 3 gegen Sturm in Graz war klar, dass man im Jahr darauf international zu Hause bleiben würde.
Die Verhandlungen mit Franco Foda, der der Austria zwar im Wort war, zogen sich hin, der Deutsche heuerte im Anschluss lieber in seiner Heimat in der Pfalz beim 1. FC Kaiserslautern an. Peter Stöger wurde installiert, der sich allerdings Gott Lob nie als Notlösung sah. Dieser impfte der Austria wieder das lang vermisste Sieger-Gen ein und führte Violett mit bisherigem absoluten Punkterekord zur mittlerweile 24. und letzten Meisterschaft 2013. Seinen Abgang ins Rheinland zum 1. FC Köln hätte er gerne mit dem violetten Double-Gewinn beendet, wie bereits erwähnt, vergeigte die Austria das Finale gegen Pasching. Peter Stöger und mit ihm der gesamte Veilchen-Apparat war darob stock-sauer, lediglich die Herren Ballesterer wälzten sich in der Sonne der gewonnen Meisterschaft.
Es kam Nenad Bjelica, der von Anfang an einen schlechten Stand hatte. Er wurde stets an Vorgänger Stöger gemessen und konnte seine Linie nie so richtig etablieren. Und dennoch gebührt ihm ein Ehrenplatz in der Ahnengalerie, gelang doch unter seiner Tätigkeit der erstmalige FAK-Einzug in die Champions-League 2013/14. Dort holte die Austria 5 Punkte und feierte mit dem 4 : 1-Erfolg im letzten Gruppen-Spiel gegen Zenit St. Petersburg den höchsten Sieg einer österreichischen Klubmannschaft in diesem Bewerb. Doch alles Schnee von gestern, Bjelica wurde im Feber 2014 beurlaubt, man fürchtete neuerlich um die Teilnahme am Europa-Cup. Ihm folgte Herbert Gager nach, der im Herbst zuvor mit den Jungen Violetten international anhand der Europe Youth League aufhorchen ließ. Zu guter letzt fehlte am Ende ein erzieltes Tor, um im Herbst 2014 international vertreten zu sein. Abermals avancierte Sturm Graz zum Sargnagel, die Steirer gewannen am letzten Spieltag in Wien mit 2 : 1. Gager hier ein Versagen vorzuwerfen, wäre falsch! Die Spieler sollten sich, ein jeder selbst im stillen Kämmerlein, hinterfragen, hier wirklich alles und darüber hinaus auch noch das letzte Hemd für ihren Arbeitgeber geopfert zu haben. Wohl kaum …
Gerald Baumgartner, erfolgreicher Feldherr des FC Pasching beim Cupfinale 2013, und aktueller SKN St. Pölten-Trainer mit neuerlicher Pokalfinal-Teilnahme seines Teams, wurde als bisher letzter auf den Viola-Trainer-Thron gehoben. Der Umstand, dass die Austria sich im Sommer 2014 komplett neu sortierte und die abermalige Nicht-Teilnahme an Europa dazu nützen wollte, neu durchzustarten, endete nach bisher gekickten 7 Runden am Tabellen-Ende der 1. Bundesliga. Und wenn man das Spiel vom vergangenen Samstag in der Südstadt her nimmt, dann muss einem um die Austria Angst und Bange sein, denn mit einer derartig desaströsen Leistung zählt man im Moment zum absolut favorisierten Abstiegskandidaten-Kreis.
Charly Neumann, im zivilen Leben gelernter Bäcker und Groß-Gastronom, war jahrzehntelang Betreuer beim FC Schalke 04. Dies ging soweit, dass er als Ulknudel und Faktotum nicht nur für die Spieler stets zur Stelle war, wenn es wo zwickte, nein, er schaffte es auch mehrmals, die Hardcore Fans der Knappen, beispielsweise jene der berüchtigten Gelsen-Szene, zu besänftigen, wenn die Königsblauen wieder einmal sportlich eine aufs Dach bekommen hatten und die Leute im Parkstadion zu Gelsenkirchen knapp vor dem Auszucken waren. Es gelang ihm, quasi im Alleingang, sich vor der Fankurve aufzubauen und die Massen vor irgendwelchen Scharmützeln abzuhalten. Er war geachtet und wurde respektiert. Er war aber allerdings auch eine Persönlichkeit, die weinen und lachen konnte und die stets einen Spaß auf den Lippen wusste. Schalke war beispielsweise im Herbst 1988 Letzter in der 2. Bundesliga gewesen. Zitat Neumann: „Wir sind immer vorn und wenn wir hinten sind, ist hinten vorn.“ Oder aber: „Wir sind hinten, okay, aber dann drehen wir die Tabelle einfach um und dann sieht die Welt schon wieder ganz anders aus.“
Solche Düsen und Schmäh-Brüder fehlen der Austria. Es gibt dem Vernehmen nach keinen, der auf den Tisch haut und mit dem bisherigen Erreichten, nämlich nichts, die Mannschaft wachrüttelt. Man gewinnt immer mehr den Eindruck, dass da lauter große Kinder versammelt sind, die allesamt volle Hosen und Angst vor der eigenen Courage haben. Ein führerloser Indianer-Haufen, dem ein nie vorhandener Häuptling abhanden gekommen ist. Und die Körpersprache von Coach Gerald Baumgartner, nämlich permanent die Hände in den Hosentaschen vergraben zu haben und eher devot denn angriffslustig am Spielfeldrand zu agieren, ist auch nicht gerade dazu angetan, seinen aufgescheuchten Hühnerhaufen am Feld zu mobilisieren.
Die Saison 2014/15 steht knapp vor Beendigung des ersten Viertels. Tabellenplatz 10 und 5 erzielte – von 21 möglichen – Punkten sind eine klare Ansage. Noch deutlicher müsste wohl niemand mehr werden, um den Herren Spieler-Stars klar zu machen, dass es bereits Halb Eins ist. Es hat im Laufe der Geschichte bereits andere Verein erwischt, von denen man sich nie gedacht hätte, dass diese irgendwann einmal die Liga wechseln würden, nach unten wohl gemerkt. Eine Austria in Liga Zwei, wenn es so weitergeht ist das keine leere Phrase mehr. „Sic transit gloria mundi“ – so vergeht der Ruhm der Welt, und im Moment leider auch jener der Wiener Austria …
Am Samstag, 13. September 2014 geht es nach der Länderspiel-Pause in Wien-Favoriten gegen SV Ried weiter. Darum – Komm und drück die Daumen!
Tickets gibt es hier:
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