Aus Anlass des 75. Geburtstages von Ferdinand Milanovich, dem Kapitän des Österreichischen Fußballmeisters von 1973/74, dem SK VÖEST Linz, traf das Österreichische Pressebüro einen Haupt-Protagonisten der damaligen Jahre und führte mit ihm das nachstehend aufgezeichnete Interview:
Gernot Aglas / oepb.at:
Herr Milanovich, Sie begehen am 5 August ein rundes Jubiläum, unsere allerbesten Glückwünsche dazu. 30 Jahre sind inzwischen vergangen, die seit Ihrem Abschied vom SK VÖEST/Sektion Fußball hinter Ihnen liegen und überhaupt waren es noch viele Jahre mehr, die Sie in Linz aktiv waren.
Ferdinand „Milo“ Milanovich:
Vielen herzlichen Dank für die Geburtstags-Wünsche. Tja, die Zeit bleibt eben nicht stehen und in der Tat ist es bereits schon wieder 30 Jahre her, als ich im Winter 1990/91 als Manager beim seinerzeitigen FC VÖEST den Schreibtisch für meinen Nachfolger und Team-Kollegen aus dem Meisterjahr von 1973/74, Fritz Ulmer, geräumt hatte. In Summe war ich 22 Jahre in Linz für den SK VÖEST tätig und muss sagen, dass es sehr schöne, intensive und abwechslungsreiche Jahre waren. Und im Werk Linz der voestalpine, auch das darf ich hier erwähnen, war ich 40 Jahre lang, bis zu meinem Ausscheiden im Jahre 2010, berufstätig.
G. A. / oepb:
Erzählen Sie bitte, wie Ihre Laufbahn begann und warum es Sie gerade nach Linz verschlagen hatte und da ausgerechnet zum SK VÖEST, da doch 1969 der LASK Platzhirsch in der Stahlstadt-Metropole an der Donau war.
Milo:
Nun, ich begann mit 7 Jahren beim SV Donau Wien aus Kaisermühlen mit dem Fußball. Überhaupt war das Kicken damals unsere große Leidenschaft und Hauptbeschäftigung. Im „Käfig“ spielten wir in jeder freien Minute. Und das wurde auch gefördert. In Kaisermühlen gab es damals einen Friseur, Otto hieß der, der sponserte jeden Montag, da sein Geschäft an diesem Tag geschlossen war, uns Buben. Jeder aus der Sieger-Mannschaft bekam von ihm 50 Groschen (Anm.: knapp 4 Cent wären das heute). In den frühen 1950er Jahren war das ein schönes Taschengeld und weil das bekannt war, wollte jeder kicken und natürlich dann auch zu den Siegern gehören. Mein Vater, Maschinist und später als Betriebsrat in der Färberei F. Edlinger in der Schiffmühlenstraße tätig, meinte, dass ich für den Fußball Talent hätte, förderte das und brachte mich zu Donau. Jahrzehnte später war ich übrigens wieder bei einer Donau tätig, als Trainer bei ASKÖ Donau Linz in Kleinmünchen. Meine damaligen Mitspieler bei Donau Wien waren Robert Sara (später 55 A-Länderspiele und ÖFB-Team-Kapitän, sowie jahrelanger FK Austria Wien-Leistungsträger), Heinz Binder (Austria Wien, GAK, Wacker Innsbruck-Spieler sowie -Trainer), Walter Dannhauser, der einige Jahre das Gehäuse der Vienna hütete und die Brüder Kreuz, wobei ich den jüngeren – Willi – Jahre später wieder treffen sollte. Donau Wien war eine Talentschmiede und brachte viele Oberhaus-Kicker hervor. Wir hatten eine großartige Nachwuchsarbeit und auch der Zulauf um das so genannte Kaiserwasser an der Alten Donau war sehr gut. Mit meinem Jahrgang (1946) gab es drei Knaben-Mannschaften. Heute ist man froh, wenn man eine einzige halbwegs aufstellen kann. Auch Hans Orsolics stammte aus diesem Grätzel. Bei ihm zeichnete sich allerdings bereits sehr früh ab, dass er nicht für das Kicken, sondern für das Boxen geschaffen war. Sein Talent lag in den Fäusten und weniger in den „strammen Wadeln“. Später füllte er als Box-Europameister die Wiener Stadthalle.
G. A. / oepb:
Wie setzte sich Ihre Laufbahn dann fort?
Milo:
Nachdem ich bei Donau den gesamten Nachwuchs durchexerziert hatte, beruflich eine Lehre im oben erwähnten Färberei-Unternehmen, in dem auch meines Vater arbeitete, beendet hatte, entdeckte mich der SC Wacker Wien, die damals noch am berüchtigten Tivoli in Meidling beheimatet waren. Admira war noch eigenständig, Wacker auch, die Fusion dieser beiden Teams erfolgte erst Jahre später. Ich heuerte also bei Wacker unter dem tschechischen Sektionsleiter Bohumil Hruska an, der früher Turner war. Er zeigte uns alle Übungen vor, doch nicht jeder Spieler konnte sie zur vollsten Zufriedenheit von Hruska nachmachen. Es folgten tschechische „Beschimpfungen“ am Trainingsplatz, die wiederum die herumstehenden Kiebitze samt Trainer Leopold Ullram äußerst belustigten. Auch beruflich hatte ich mich verändert in dem ich in die Pensionsverischerungsanstalt wechselte. Erwähnen möchte ich auch, dass wir mit der Österreichischen Amateurauswahl im Juni 1967 die Endrunde im UEFA Amateur-Cup auf Mallorca gespielt hatten und dabei ungeschlagen Europameister wurden. Josef Hickersberger und Kurt Leitner machten später Karriere, trainiert wurden wir von Viktor Hierländer und Georg „Schurl“ Schmidt.
G. A. / oepb:
Wacker Wien belegte in der Spielzeit 1968/69 den 11. Tabellenplatz. Bei 15 Mannschaften war das zufriedenstellend für einen Aufsteiger?
Milo:
Ja, wir stiegen in die Nationalliga (damalige höchste Spielklasse) auf und konnten auch die Klasse halten. Die Spiele am ehrwürdigen Wacker-Platz waren oft gut besucht und die Stimmung der beinahe am Spielfeld stehenden Leute war immer hervorragend. Das trieb uns zu guten Leistungen an und Wacker blieb in der Liga. Die Jahre zuvor war es für die Meidlinger oder auch Schönbrunner, wie uns der Volksmund aufgrund der Nähe zum Schloss auch nannte, ein stetes auf und ab gewesen.
G. A. / oepb:
Und dennoch wollten Sie sich bald verändern und strebten einen Wechsel an. Warum gerade nach Linz?
Milo:
Meine spätere Gattin stammte aus Pregarten. Und ich pendelte quasi zwischen dem Mühlviertel und Wien. Darüber hinaus sei zu erwähnen, dass der langjährige LASK-Präsident Komm.-Rat Rudolf Trauner sehr gute Kontakte zu Wacker Wien hatte. Im März 1969 spielte Wacker in Linz gegen den LASK 2 : 2. Ich erhielt gute Kritiken und Trauner sprach mich nach dem Match an, ob ich mir einen Wechsel aus Wien nach Linz vorstellen könnte. Und als man bei den Linzer Schwarz-Weißen Wind davon bekam, dass mich auch der SK VÖEST holen wollte, setzte Trauner alle Hebel in Bewegung, um mich zum LASK zu lotsen.
G. A. / oepb:
Im Nachhinein betrachtet – gut für Sie?
Milo:
Beruflich wäre ich wohl von der Pensionsversicherung in Wien nach Linz in die OÖ-Landesregierung gewechselt. Es gab auch ein Gespräch mit Rudolf Trauner in der Baumbachstraße, mein Wechsel zum SK VÖEST wurde aber immer mehr zur Gewissheit, da mir neben der fußballerischen Tätigkeit auch ein Büro-Job im Werk in Aussicht gestellt wurde. Mir war bereits als junger Spieler klar, dass der Fußballsport nicht ewig dauern würde. Darüber hinaus kam mir der Werksklub seriöser geführt vor und so begann eben meine 22jährige fußballerische Tätigkeit beim SK VÖEST im Sommer 1969 beim damaligen Aufsteiger in Linz.
G. A. / oepb:
Ihre Karriere verlief bis zu dem doch abrupten Ende als 30jähriger sehr erfolgreich.
Milo:
Ja, das kann man so sagen. Ich kam demnach von Wacker zu einem neuerlichen Aufsteiger ins Oberhaus und wir wurden allerorts als erster Abstiegskandidat gehandelt. Aber unter Trainer Alfred Günthner belegten wir im ersten Liga-Jahr 1969/70 Rang 12 von 16 Teams. In 30 Spielen erzielten wir 28 Punkte. Genug also, um mit dem Abstieg nichts zu tun zu haben. Fritz Ulmer traf damals 12mal, wir schlugen RAPID und holten gegen die Wiener Austria zwei Remis. Nur beide Derby-Niederlagen gegen den LASK (0 : 5 und 1 : 4) taten sehr weh. Man merkte damals aber schon, dass sich im Werk etwas tat und man mit der Fußball-Sektion nicht nur oben mitspielen wollte, sondern dass man mit uns auch etwas erreichen wollte. Die Mannschaft wurde Zug um Zug verstärkt, auf Trainer Günthner folgte Günter Praschak und auch das Publikum besuchte immer mehr unsere Spiele auf der Gugl.
G. A. / oepb:
In dieser Tonart ging es weiter?
Milo:
Ja, im Jahr darauf wurden wir Sechster, punktegleich mit dem LASK. Lediglich die Tordifferenz trennte uns noch vom Rivalen. Und im dritten Derby der Geschichte konnten wir den LASK schlagen. Na das positive Hallo im VÖEST-Alpine/Werk Linz war riesig, das kann man sich vorstellen. Auch unsere Herren der sportlichen Führungsetage teilten uns mit, dass höchstes Lob von ganz oben, der Generaldirektion, ausgesprochen wurde. 1971/72 waren wir dann schon sehr, sehr knapp dran. Am Ende fehlten uns 4 Punkte auf Meister Wacker Innsbruck, wir wurden Dritter und freuten uns auf unser Debüt im Europa-Cup gegen SG Dynamo Dresden. Wir gewannen damals, 1972, aber auch als erste österreichische Mannschaft den Intertoto-Sommer-Bewerb (späterer UI-Cup). In der Meisterschaft folgte ein 5. Tabellenplatz 1973, ehe uns dann im ruhmreichen Jahr 1973/74 der ganz große Coup gelang.
G. A. / oepb:
Schildern Sie bitte aus Ihrer Sicht die Lage der Dinge. Sie waren ja der Kapitän dieser Mannschaft.
Milo:
Die Saison begann nicht berühmt. Unentschieden daheim gegen Austria Klagenfurt, eine 0 : 4-Watsche gegen Admira/Wacker aber dann in Runde 3 vor 16.000 Zuschauern ein 2 : 0-Erfolg gegen den LASK. Nach einem Remis gegen Austria Salzburg folgten Siege gegen den GAK, auf der Pfarrwiese gegen RAPID, wir schlugen Donawitz, Vorarlberg, Radenthein, Simmering, den Sportclub gar mit 5 : 0, Sturm Graz und bogen auch die Austria in Linz mit 1 : 0 vor über 15.000 Zuschauern. Unvergessen! Am Tivoli zu Innsbruck wurden wir aus allen Träumen gerissen, 0 : 4. Nach zwei weiteren Siegen und zwei Remis wartete neuerlich der LASK, 0 : 3, grauenvoll. Doch wir rappelten uns auf, gaben bis zum Saisonschluss kein Spiel mehr verloren. Und nach unserem Triumph im Horr-Stadion gegen die Austria mit 3 : 2 – nach 0 : 2-Rückstand – witterten wir Morgenluft. Drei Runden waren noch zu spielen. Wir schlugen den regierenden Meister Wacker Innsbruck in Linz mit 3 : 0 vor 13.000 begeisterten Besuchern, beim torlosen Unentschieden zum SCE ins Eisenstädter Lindenstadion begleiteten uns über 2.000 blau-weiße Schlachtenbummler. Die Entscheidung fiel am letzten Spieltag. Wenn Innsbruck in Graz bei Sturm gewinnt, ist alles erledigt. Tun sie das aber nicht und wir schlagen die bereits abgestiegene Vienna, dann wäre dies unser Meisterstück …
G. A. / oepb:
An Ihnen ist ein hervorragender Geschichten-Erzähler verloren gegangen. Wie verlief der berühmte 1. Juni 1974?
Milo:
Das Stadion war normal besucht. 6.000 Zuschauer wollten mit uns feiern, so es denn gelingen würde. Zu Spielbeginn setze leichter Regen ein und die Vienna war der erwartet schwere Gegner. Normalerweise bricht man in solch einem Fall das Abwehr-Bollwerk und diese Mannschaften, die mit der Saison bereits fertig sind, fallen in sämtliche Einzelteile auseinander. Es war die Sternstunde unseres Münsteraners Michael Lorenz. Das 1 : 0 bereits in Minute 4, nach einer halben Stunde stand es 2 : 0, das war´s! In Graz stand es 0 : 0. Wir wären durch. Hoffentlich macht Innsbruck kein Tor. Und was soll ich sagen, der Grazer Abwehrriegel hielt, ich glaube, unser steirischer Obmann Johann Rinner sandte denen Stahlbeton nach Liebenau, Innsbruck traf das Tor nicht. Aus, Schluss, vorbei, Schlusspfiff in Graz, 0 : 0!
G. A. / oepb:
Die Leute stürmten auf den Platz.
Milo:
Ja, das kann man wohl sagen. Zäune gab es damals noch nicht und die jubelnden Anhänger waren bereits am Rande des Spielfeldes, als die Partie noch lief. Schiedsrichter Paul Holzer bewahrte Ruhe, die Anhänger auch und als dann der Schlusspfiff endlich ertönte, brachen alle Dämme und unser Doppel-Torschütze Lorenz, als auch der Meistermacher Helmut Senekowitsch wurde auf den Schultern der Anhänger vom Stadionrasen getragen.
G. A. / oepb:
Linz stellte demnach 1974 den zweiten Fußball-Meister in der Geschichte. Wie ging es weiter?
Milo:
Wir fieberten der Auslosung des Europapokals der Landesmeister entgegen. Mit CF Barcelona erhielten wir den ersehnten dicken Fisch, wenngleich das erste Spiel in Nou Camp hätte steigen sollen. Na bumm! Aber unsere gewieften Funktionäre erzielten einen Platztausch und Johan Cruyff, der damalige Lionel Messi, musste zuerst bei uns im Linzer Stadion ran. 26.000 Zuschauer trieben uns zu einem torlosen Remis. Beim Rückspiel setzte es aber leider eine deftige 0 : 5-Niederlage.
G. A. / oepb:
Wie verlief die Meisterschaft des regierenden Champions?
Milo:
Die Nationalliga war Geschichte, die 1. Division wurde 1974 etabliert. Wir hatten keine 17 Teams mehr, sondern deren 10 und spielten pro Jahr viermal gegeneinander. In den ersten beiden Jahren war es so, dass wir zum Beispiel nach Salzburg mussten und die Mozartstädter eine Woche später bei uns spielten. D.h., dass in einer Woche zwei Stadt-Derbys gespielt wurden, Hin- und sofortiges Rückspiel quasi. Wir kamen schleppend aus den Startlöchern und hatten erst am 4. Spieltag den ersten Sieg. Die Saison verlief dann so, dass wir zwar Vize-Meister geworden sind, der Abstand zu Meister Innsbruck mit 9 Punkten (2 Punkte-Regel für den Sieg) jedoch sehr groß war. Und wieder konnten wir den Intertoto-Bewerb im Sommer gewinnen, diesmal mit 6 Siegen aus 6 Spielen, eine Novität in Österreich, damals.
G. A. / oepb:
Ihre aktive Zeit neigte sich dem Ende zu?
Milo:
Ja, im Herbst 1976 lief ich noch ein paar Mal auf, musste dann aber auf Anraten meines Arztes die Schuhe an den Nagel hängen. Die Hüfte spielte nicht mehr mit. Und so konnte ich in den Betreuer-Stab wechseln und wurde unter Alfred Günthner und ein Jahr darauf Felix Latzke Co-Tainer.
G. A. / oepb:
Sie waren also als Spieler nicht mehr aktiv. Ein Schock für Sie?
Milo:
Nein, da die Gesundheit vorging und mir der Fußballsport ja erhalten blieb. Während dieser Co-Trainer-Zeit absolvierte ich auch die Ausbildung zum Chef-Trainer. Nach der erfolgreichen Beendigung wurde ich 1978 als 32jähriger zum jüngsten Trainer in der Bundesliga bestellt. Just zu jener Zeit, als Willi Kreuz nach Linz kam. Auch dazu fällt mir eine lustige Episode ein. Die Nationalmannschaft kehrte von der erfolgreichen Weltmeisterschaft aus Argentinien nach Wien zurück und ich plauderte mit Willi Kreuz am Flughafen in Schwechat, ob er sich vorstellen könnte, nach Linz zum SK VÖEST zu wechseln. Da er aus Rotterdam nach Österreich zurückkehren wollte, war er mir quasi im Wort. Die schriftliche Details unternahmen dann die Herren Wilhelm Altenstrasser, Hans Brandlmayr und Johann Rinner vom Vorstand unseres Vereins, doch den deal einzufädeln, dies gelang mir. Damals ging das noch nicht so klaglos über´s Handy, da waren persönliche Gespräche und Kontakte noch Goldes wert. Es kam mir aber auch zu Gute, dass wir uns von gemeinsamen Kaisermühlener Donau-Zeiten her kannten.
G. A. / oepb:
Willi Kreuz löste einen wahren Zuschauer-Boom aus. War er der gesuchte Leithammel für die junge VÖEST-Mannschaft?
Milo:
Auf jeden Fall. In seinem Sog wurden junge Spieler wie Dieter Mirnegg, Max Hagmayr, Reinhold Hintermaier, Helmut Wartinger und so weiter in den Teamkader berufen und später auch Legionäre in Deutschland (Mirnegg, Hintermaier, Hagmayr). Und im Tor hatten wir zwei Klasse-Leute mit Erwin Fuchsbichler und Kurt Kaiserseder. Der Herbst 1978 verlief ganz gut, wir waren einige Runden lang Tabellenführer und hatten unter anderem gegen Salzburg 22.000 und gegen Austria Wien 26.000 Besucher. Im Frühjahr kam dann der Einbruch und wir wurden 5. in der Liga. Der UEFA-Cup-Platz wurde knapp verfehlt.
G. A. / oepb:
Die Wiener Austria mit ihrem General Josef Walter war damals das Maß aller Dinge. Die Veilchen wurden Serien-Meister. Der SK VÖEST wollte aber unbedingt Paroli bieten.
Milo:
Auf jeden Fall. Das sah dann so aus, dass wir im Sommer 1979 mit Alberto Martinez, Thomas Parits und Fritz Drazan drei Ex-Austrianer nach Linz holten. Dazu kam Manfred Mertel vom GAK und bereits im Winter zuvor verpflichteten wir Gerald Haider von Austria Salzburg als bulligen Angreifer für die Stürmerreihe. Es dauerte zwar ein wenig, bis das Werkel auf Hochtouren lief, aber mit einer fulminanten Sieges-Serie zum Schluss wurden wir Vize-Meister hinter den Wiener Violetten. Wir konnten die Austria in Linz zweimal besiegen, wollten sie ärgern und taten dies auch.
G. A. / oepb:
Nach dieser Vize-Meisterschaft 1979/80 ging es aber stetig bergab mit dem SK VÖEST. Die sportlichen Erfolge blieben aus, somit auch die Zuschauer und im Werk begann es langsam aber stetig zu rumoren.
Milo:
Meines Erachtens lag das Problem darin, dass es von Seiten der Werksleitung nie ein glasklares Bekenntnis zum Spitzenfußball gab. Es war alles Eitel Wonne, wenn der SK VÖEST gewonnen hatte, aber wehe, wir hatten verloren, dann schwappte das Fass oftmals über. Dazu kam im September 1980 die gerissene Achillessehne von Willi Kreuz beim Match im Weststadion gegen RAPID (der SK VÖEST führte 2 : 0, um 2 : 4 zu verlieren). Die vielen jungen Spieler bewährten sich zwar, sie brauchten aber auch Zeit.
G. A. / oepb:
Stichwort 1982/83!
Milo:
Ja, danke für die Frage – eine gute Spielzeit für eine junge Mannschaft. Die Liga wurde von 10 auf 16 Mannschaften aufgestockt und der SK VÖEST trennte sich budgetbedingt im Sommer 1982 von sämtlichen Leistungsträgern. Willi Kreuz ging nach Eisenstadt, Koloman Gögh zurück in die damalige Tschechoslowakei (er war ja Pressburger), Ove Flindt zog es heim nach Dänemark und Max Hagmayr wurde zum KSC nach Karlsruhe verkauft. Ich konnte eine junge Mannschaft um Erwin Fuchsbichler und Gerald Haider aufbauen, holte im September Manfred Mertel aus Salzburg zurück und in diesem Team blühte ein Georg Zellhofer, ein Manfred Schill, ein Jürgen Werner, ein Günter Stöffelbauer, ein Harald Zeilinger und Konsorten förmlich auf. Gerald Haider wurde damals mit 18 Volltreffern Dritter in der Torschützenliste. Sein Problem war aber auch, dass er in der gleichen Spielzeit, so glaube ich, fünf oder sechs Elfmeter vergeben hatte und 12 oder 13mal nur die Stange oder die Latte traf. Mit diesen nicht geschossenen Toren wären wir in den UEFA-Cup eingezogen und er hätte die Torjägerkrone gewonnen. Wir sahen aber, dass es auch ohne große Stars und mit viel weniger Budget auch gehen kann.
G. A. / oepb:
Und dies gefiel der Werksleitung?
Milo:
Ja! Man wurde aber auch immer wieder sehr schnell nervös, wenn die junge Mannschaft im Jahr darauf in untere Regionen abdriftete.
G. A. / oepb:
Wie ging es weiter?
Milo:
Als Mitte der 1980er Jahre die große Stahlkrise auch das Werk Linz betraf, wurde noch mehr eingespart. Man darf aber auch nicht vergessen, dass der SK VÖEST eine ausgezeichnete Nachwuchsarbeit betrieb. Hier trug jahrelange Aufbauarbeit Früchte. Als es also hieß, es sei kein Geld für etwaige Neuverpflichtungen vorhanden, setzten wir noch mehr auf die eigene Jugend. Ein Alexander Sperr, der mit 17 Jahren sein Debüt in der Kampfmannschaft feierte, ein Jürgen Müller, ein Jürgen Werner-Klausriegler, Wolfgang Pöhlmann, Harald Kaiserseder, Manfred Wurmlinger, Christian Stumpf, Günter Haizinger etc., das waren allesamt Kicker aus dem Nachwuchsbereich, die plötzlich Bundesligaluft schnupperten. Dazu der kroatische Libero Frane Poparic und ein Jürgen Werner I, der plötzliche Teamspieler war – unter anderem beim 4 : 1-Sieg gegen Deutschland im Oktober 1986 – somit hatten wir wieder eine sehr gute Mannschaft. Plötzlich wurden wir auch für Sponsoren interessant und die Wiener Wäschefirma Salesianer Miettex stieg erstmals beim SK VÖEST ein.
G. A. / oepb:
War das nicht ein Dorn im Auge in der Werksleitung? Glaubte man da nicht, dass nun noch mehr Leute Mitsprache erhaschen möchten?
Milo:
Auf keinen Fall, es hieß ohnehin immer, der Fußball verschlingt zu viel Geld und wenn es jetzt dann noch mit einem Sponsor ein Zubrot gibt, na umso besser.
G. A. / oepb:
Sie galten oft als Feuerwehrmann und Rettungs-Boot, wenn das Flagg-Schiff SK VÖEST stürmische See hatte. Die jeweiligen Trainer – Erhard Wieger, Werner Kriess, Milan Miklavic, Willi Kreuz – wurden verabschiedet und Sie sprangen ein. Immer mit Erfolg.
Milo:
Durch meine Tätigkeit als Sektionsleiter des SK VÖEST und auch gleichzeitig als Leiter des Postwesens im Werk war ich quasi immer zur Stelle, wenn es brannte. Der Vereinsvorstand musste nicht lange nach einem Trainer Ausschau halten, für den man auch eine Wohnung, ein Auto und dergleichen benötigte. Ich war quasi die billigere Lösung, die mir aber auch immer große Freude bereitete. Leider standen wir dann meist sportlich mit dem Rücken zur Wand. Die Spieler, die gut waren, waren völlig verunsichert und beim ersten Fehlpass stieg im Kopf Selbstzweifel auf. Dies musste als erstes bekämpft werden. Dann gab es auch wieder erfolgreiche und schöne Spiele beim SK VÖEST zu sehen.
G. A. / oepb:
Spieler und Trainer kamen und gingen, lediglich der Milo, der blieb treu. Unter Ihrer Regentschaft als Trainer stieg der Klub nie ab.
Milo:
Na ja, unter Hans Kondert schon. Er kam vom 1987 LASK, qualifizierte sich mit den Athletikern viermal in Serie für den UEFA-Cup, agierte bei uns aber glücklos. Dies gipfelte leider im Abstieg 1988 nach 19jähriger ununterbrochener Zugehörigkeit zum Oberhaus.
G. A. / oepb:
Wie sich später herausstellen sollte, der Anfang vom Ende!
Milo:
Nun, wir kamen zwar nach drei Jahren zurück, der Verein firmierte in FC STAHL Linz um, aber mit dem Pensions-Abschied von Franz Ruhaltinger war auch meine Zeit zu Ende. Die neuen Präsidenten Erhard Koppler und Horst Paschinger wollten neue Besen etablieren, mein Meisterkollege Fritz Ulmer bezog als Manager seinen Posten und ich zog mich zur Gänze zurück und kümmerte mich um den Poststellen-Job.
G. A. / oepb:
Ein Abschied im Groll, damals, im Februar 1991, oder wie sehen Sie heute Ihr damaliges Ausscheiden?
Milo:
Nein, die Zeit heilt Wunden und für mich waren es sehr wertvolle und schöne Jahre. Ich bekam die Chance, mich in Linz nicht nur sportlich, sondern auch menschlich zu entwickeln. Ich konnte aktives Mitglied und Kapitän einer Meister-Mannschaft sein und mir als Trainer österreichweit einen Namen machen. Das waren wundervolle Erlebnisse und bleibende Erinnerungen. Und als wir vor 2014 unser tolles Jubiläum begangen hatten, nämlich 40 Jahre Gewinn der Meisterschaft mit dem SK VÖEST, da freute es mich natürlich umso mehr, die alten Kollegen, Mitspieler und Mitstreiter in Linz begrüßen zu können. Mit Jürgen Joe Kreuzer zogen wir ein Revival auf und ließen die alten Taten auferstehen. Frei nach dem Motto: Es war einmal und es war einmal schön.
G. A. / oepb:
Zum Abschluss dieses aufschlussreichen Gespräches noch ein Resümee: Wie würde Ihrer Meinung nach der SK VÖEST heute da stehen, wenn es ihn denn noch geben würde?
Milo:
Nun, dies ist eine interessante Frage. So wie die Mannschaft absolute Profis braucht, müsste auch der Funktionärsstab aufgestellt sein. Es kann nur klappen, wenn der Präsident, der Manager, die Betreuer und dergleichen Vollprofis sind. Zu unserer Zeit hatten wir alle auch berufliche Tätigkeiten im Werk zu verrichten und der Fußball lief quasi nebenher. Das geht heute natürlich nicht mehr. Ein Verein und gerade auch eine Werksmannschaft kann nur dann bestehen, wenn absolute Fachkräfte am Ruder sitzen. Am Beispiel PSV Eindhoven oder Bayer 04 Leverkusen wird das ja immer wieder dokumentiert und bewiesen.
G. A. / oepb:
Lieber Milo, vielen herzlichen Dank für die Ausführlichkeit dieses Interviews. Sie kamen 1969 aus Kaisermühlen und Meidling die Donau stromaufwärts nach Linz in den ehemaligen Stadtteil St. Peter-Zizlau … um zu bleiben. 22 Jahre bei ein und demselben Verein sind es geworden, heutzutage ein echtes Novum. Ein junger Fußball-Fan kann sich solch eine Vereinstreue wohl kaum mehr vorstellen. Ihr Name wird ohnehin mit dem SK VÖEST in steter Verbindung bleiben und in Linz gibt es auch heute – 24 Jahre nach der Liquidierung des Nachfolge-Vereins FC Linz – Gott Lob noch zahlreiche Anhänger dieses Klubs aus dieser Zeit. Alles Gute für Sie weiterhin, verbunden mit einem herzhaften „Glück auf!“
Milo:
Auch ich danke vielmals für dieses Gespräch. Abschließend möchte ich aber auch sagen, dass ich diese Jahre mit dem SK VÖEST nie missen möchte, es war mir immer eine echte Herzensangelegenheit. Es waren sehr ereignisreiche, aber auch lehrreiche Jahre. Als wir beispielsweise mit dem SK VÖEST beim Rückspiel in Barcelona mitspielen wollten und in ein 0 : 5 schlitterten. Gerne erinnere ich mich auch an die zahlreichen Stadt-Derbys, egal ob als Spieler, oder später als Funktionär und Betreuer zurück. Wenn der Schmäh und das Häkerl bereits im Vorfeld lief, wenn wir als so genannte „Koksler“ den „Landstraßlern“ ein Haxl stellen konnten und wenn das Stadion, die gute alte Gugl, bummvoll war – ja, das waren wunderbare Zeiten.
Quelle: Redaktion www.oepb.at
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