11. Jänner 2007
Der Geschichte-Club VÖEST feiert heuer sein 20jähriges Jubiläum. Das, was seinerzeit in mühevoller Kleinarbeit begonnen wurde, entpuppte sich im Laufe der Jahre zu einem Archiv und einer begehbaren Chronik, die ihresgleichen keinen Vergleich scheuen muß. Ein beinahe lückenloses Almanach ist hier entstanden. Und dies alles ist pensionierten ehemaligen Arbeitern und Angestellten des Werkes Linz zu verdanken, die alte Unterlagen, Fotos, aber auch Requisiten längst vergangener Tage einfach aus dem Müll zogen, neu adaptierten und daraus ein Museum für die Nachwelt zauberten.
Dazu Geschichte-Club-Obmann Helmut Gröbl: ,Angefangen hat alles vor 20 Jahren in einem kleinen Kämmerlein auf dem ehemaligen Betriebsgelände 1. Wir hatten einen Stapel Werkszeitungen und haufenweise Fotos von Staatsbesuchen. Also haben wir mit unserer Arbeit begonnen. In der Zwischenzeit haben wir ein Riesenarchiv, in dem alle Dokumente seit 1938 in Ordnern gesammelt wurden, mit über 600.000 Bildern und Fotos rund um die VÖEST.´
Und so zieht sich der Reigen vom 15. Mai 1938 – zwei Monate nach dem sogenannten Anschluß Österreichs an Hitler-Deutschland – und dem erfolgten Spatenstich durch Generalfeldmarschall Hermann Göring zum Bau der ,Hermann Göring-Eisenwerke Oberdonau´, bis hin zum Jahr 1945, in dem die ,Eisenwerke´ in Schutt und in Trümmern lagen. Die emsigen Linzer bauten ihr Werk jedoch wieder auf und nannten es VÖEST, was soviel hieß wie ,Vereinigte Österreichische Eisen- und Stahlwerke.´
Aber auch die Zeit vor der VÖEST wird dokumentiert. Wer weiß heute noch, daß am Gelände der späteren VÖEST das idyllische Ortschafterl St. Peter-Zizlau war, mit seinen kleinen Häuschen, der schmucken Kirche und den Fischgewässern? Auch hier erinnern sich Zeitzeugen. ,Wenn´s die VÖEST wegreißen täten, ich würde wieder hinziehen.´, erinnert sich die heute 82jährige Ida Landstätter an jene Tage, in denen sie die Kindheit und Jugend verbracht hatte. Gerne schwelgt sie in Erinnerung an die 4.500 Seelen-Gemeinde St. Peter-Zizlau, die 1938 quasi über Nacht geräumt wurde, um Platz für die Hermann Göring-Werke zu schaffen. Frau Landstätter hieß damals noch Kiebler und war eines von 13 Geschwistern. Die Familie lebte mit den Eltern und den Großeltern in einem Haus in St. Peter, als ein hoher Nazi-Beamter kam und sagte: ,Morgen müßt Ihr raus! Die Wäsche könnt Ihr noch aufhängen, trocken wird sie nicht mehr!´ ,Wir kamen zuerst in eine Wohnung, die Juden gehört hat, dann nach Kleinmünchen. Der Kontakt mit den meisten Freunden und Bekannten der Ortschaft riß aber ab.´, erinnert sich Ida Landstätter. Einige kamen nach Ottensheim oder Polsing, was damals eine Weltreise war. Aber alle haben eine größere Wohnung bekommen, weiß sie zu berichten. Wenn sie heute zurückdenkt, erinnert sie sich an den Kirtag, die guten Gasthäuser und das jährliche Hochwasser mit der Sautrog-Regatta. Aber all das lebt nur mehr in der Erinnerung. Von St. Peter ist nichts mehr übrig …
Weiteres erinnert man sich im Geschichte-Club an jenen 26. November 1955. An diesem Tag fuhr ein mit Blumen geschmückter Sonderzug von Linz nach Wien. Mit an Bord waren 1.000 VÖEST´ler, die in ihren schönsten Abenkleidern und Anzügen in die wieder aufgebaute und eröffnete Staatsoper fuhren. Vom Generaldirektor bis zum ,einfachen´ Arbeiter waren alle anwesend. ,Wir hatten 6 harte Kriegsjahre und 10 Aufbaujahre hinter uns. Und dann pilgerten wir auf Einladung des Ingenieurvereins VÖEST-Alpine mit einem Sonderzug zu einer Vorstellung in die Staatsoper. Bereits am Bahnhof wurden wir offiziell empfangen und es gab ein großes Hallo für die ,Koksler´ aus Linz. Das war ein gesellschatlicher Höhepunkt, ein nie für möglich gehaltenes Großereignis.´, erinnert sich noch heute mit glänzenden Augen ein sichtlich gerührter 78jähriger Teilnehmer, Robert Böck, an diese Fahrt. Staunend nahmen er und seine Kollegen damals die Aufführung der Verdi-Oper ,Aida´ wahr. Im Vorfeld setzten sich viele der Wien-Besucher intensiv mit dem Stück auseinander. ,Der Besuch anläßlich der Staatsopern-Eröffnungsfest-Wochen war für mich das prägnanteste Ereignis der Nachkriegsjahre. Das hätte man erleben müssen und es ist heute nur schwer in Worte zu fassen.´, schwärmt Robert Böck weiter.
Und so geht es weiter: Wer weiß heute noch, daß die VÖEST über eine eigene Hochseeflotte verfügte. Wer erinnert sich noch an das VÖEST-Bad am Weikerlsee in Linz, das ein Naherholungsgbiet eigens für die Werks-Mitarbeiter samt Familien war. Der Glockenschwengel der Pummerin wurde ebenso in der VÖEST gegossen, weil der erste brach. Und das VÖEST-Gelände war bereits vor 4.000 Jahren besiedelt, wie dies alte Funde beweisen und zeigen.
Obmann Helmut Gröbl weiter: ,1984 wurde ich in Pension gegangen. Doch meine Verbundenheit zum Werk ließ auch im Ruhestand nicht nach und so kam mir mit drei einsten Mitstreitern 1987 eben diese Idee zur Gründung des Clubs. Heute sind wir stolz auf das, was wir geschaffen haben.´ Heute umfaßt der Club 30 aktive Mitglieder, die aber allesamt bereits jenseits der 60 Jahre sind. Daher hat man sich quasi in Eigenregie den Umgang mit den neuen Medien., Computer, e-mail und Internet selbst beigebracht.
Anläßlich der Jubiläumsfeier wird neben der Dauerausstellung der VÖEST die Ausstellung ,Aufbau der Linzer Stahlindustrie´ am 15. Jänner um 10 Uhr eröffnet.
Das Technische Museum in Wien widmet sich ebenfalls sehr ausführlich auf einem halben Stockwerk der umfangreichen Geschichte der VÖEST in Linz.
Blick auf St. Peter mit Kirche und der alten Schule. Foto: www.bindermichl.home.pages.at
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