Der 299. Wiener Bruderkampf ist Geschichte und das Match endete vor exakt 12.079 Besuchern am vergangenen Sonntag knapp vor 18 Uhr in der Generali-Arena zu Wien-Favoriten mit einem brüderlichen 1 : 1-Remis.
Die Welt ist bekanntlich rund und dreht sich immer weiter. Selbigesgleiches gilt auch für die Welt des runden Leders. Nach dem Spielabbruch am 22. Mai d.J. – Anhänger aus dem RAPID-Block stürmten beim Stand von 0 : 2 aus grüner Sicht das Spielfeld – geschah bei den nun darauf folgenden beiden Derbys ähnliches nicht mehr. Im August zerlegte die Austria ihren ewig jungen Rivalen in sämtliche Einzelteile im Wiener Stadion und gewann anhand eines grandiosen Spieles mit 3 : 0 und nun trennte man sich mit einem Unentschieden, das beiden Teams jedoch nur sehr wenig weiterhilft.
Im Vorfeld wurden freilich die Muskeln gestählt. Die Austria händigte RAPID lediglich 1.200 Karten aus – in früheren Zeiten waren dies stets 2.000 gewesen. Weiters wurde der Gästeblock geteilt und der RAPID-Anhang in einen Stahl-Käfig verfrachtet. Dieser Umstand, den sich bei genauerer Betrachtungsweise die grünen Anhänger aus Hütteldorf selbst zuzuschreiben hatten, trieb wiederum einige Herrschaften aus der grün-weißen Vereinsebene auf die Barrikaden. Man „drohte“, es mit den violetten Anhängern beim nächsten Derby in Hütteldorf ähnlich zu halten. Vergessen sind demnach die präsidialen Aussagen RAPIDs, unmittelbar nach dem Fan-Eklat im Mai, nie mehr wieder ein Derby im Hannappi-Stadion bestreiten zu werden. 5 Monate später scheint aus grüner Sicht alles bereits schon wieder „Schnee von gestern“ zu sein. Weiters war auch zu beobachten, dass einige „Anhänger“ des SK RAPID beim Spiel fröhliche Urständ auf der Südtribüne der Generali-Arena feierten, wenngleich sie doch eigentlich Stadion- und somit Hausverbot für zwei Jahre erhalten hatten. Man merkt also auch an dieser Stelle, dass doch alles nicht so heiß gegessen wird, wie es in den Tagen nach dem 22. Mai allerorts aus Wien-Hütteldorf propagiert wurde.
Zum Spiel:
RAPID hatte nichts zu verlieren und startete auch so in das Match. Optisch wirkten in der Anfangsphase die ganz in Weiß auftretenden Grünen feldüberlegen und ballbeherrschend. Dennoch fand der Gastgeber nach 5 Minuten die erste dicke Torchance vor – Tomas Jun setzte einen wuchtigen Kopfball knapp über die Latte. Die nächste Aufregung aus violetter Sicht gab es nach einer Viertelstunde, als RAPID-Keeper Helge Payer weit ausserhalb des Strafraums die Hand zu Hilfe nahm. Daraus resultierte für den Welser die Gelbe Karte. Wer weiß, was passiert wäre, hätte Nacer Barazite dieses Zuspiel erlaufen können. RAPID agierte dennoch weiter aktiv, lief sich aber mehr und mehr in der gut gestaffelten Austria-Abwehr fest. Darüber hinaus folgte eine wahre Eckball-Serie in der ersten Halbzeit für die Grün-Weißen. Dann die 36. Spielminute. Tomas Jun beißt sich durch und bombt auf den RAPID-Kasten. Payer ist zur Stelle und verhindert Schlimmeres. Aus dem daraus resultierenden Eckball für die Austria passiert das 1 : 0. Jun kommt erneut zum Ball und sein scharfer Schuss knallt ins rechte obere Eck. Helge Payer ist gegen diese Granate schier machtlos. Der violette Jubel währte allerdings nur kurz, dann knapp vor der Halbzeit stehen plötzlich Steffen Hofmann und Guido Burgstaller vor Pascal Grünwald und Burgstaller schlenzt geschickt das Leder mit Links zum Ausgleich in die Maschen.
Unmittelbar nach Einmarsch beider Teams zur zweiten Spielhälfte entfachten die violetten Anhänger auf der Ost-Tribüne eine pyrotechnische Bengalen-Show, die zwar toll aussah, leider aber auch zur Folge hatte, dass das Spielfeld und der gesamte Stadionbereich komplett eingenebelt wurde. Im Herbst ist dieser Umstand schon einmal möglich. Der Vorarlberger Schiedsrichter Robert Schörgenhofer unterbrach die Partie und nachdem sich die Nebelwolken verzogen hatte, ging es fuballtechnisch weiter. Nach einer Stunde betrat der violette Goalgetter Roland Linz den Rasen und dieser sorgte für reichliches Kopfweh auf Seiten RAPIDs. Bis zum Schluss fand dieser zwei hochkarätige Torchancen vor. Einmal stand ihm die Stange im Weg, einmal wohl das eigene Unvermögen, da die Kugel von ihm weit über das gegnerische Gehäuse gejagt worden war.
Nach 97 Minuten zählte auch dieses Derby zur Geschichte und das Unentschieden ist dem Spielverlauf nach als gerecht anzusehen.
Unter den prominenten Zaungästen neben Herbert Prohaska, Andreas Herzog und Viktor Gludovatz – um nur einige zu nennen – wurde auch Neo-Teamchef Marcel Koller gesichtet, der in nächster Zeit als „Ground-Hopper“ agieren wird, um sich als Schweizer von der Österreichischen Bundesliga nicht nur ein Bild zu machen, sondern auch die zahlreichen Team-Spieler und künftigen Kandidaten optisch kennen zu lernen.
Stimmen zum Spiel:
Peter Schöttel, RAPID-Trainer: „Ich bin froh, dass wir ungeschlagen geblieben sind. Wir wehrten uns gegen die Austria und haben den Punkt aufgrund der Leidenschaft verdient.“
Steffen Hofmann, RAPID-Kapitän: „Das war ganz ordentlich, auch, wenn wir zum Schluss hin Glück gehabt hatten. Da hatte die Austria zwei gute Möglichkeiten auf das 2 : 1.“
Karl Daxbacher, Austria-Coach: „Wir taten uns sehr schwer. RAPID hat ein gutes Pressing gespielt. Das 1 : 1 geht so in Ordnung. Wenn man allerdings die zwei Chancen von Linz hernimmt, wäre auch ein Sieg völlig okay gewesen für uns.“
Tomas Jun, Austria-Torschütze: „Schade! Wir hatten die besseren Chancen und hätten eigentlich gewinnen müssen.“
Zur Statistik:
Seit Einführung der gesamtösterreichischen Meisterschaft im Jahre 1949 lautet die Derby-Bilanz aus violetter Sicht wie folgt: Von 191 Spielen gewann die Austria 70mal, verlor 68 Spiele und 56mal trennte man sich Unentschieden.
Zählt man alle 299 Wiener Derbys zusammen, erzielt man folgende Bilanz: 109 Austria-Siege, 123 RAPID-Siege und 67 Unentschieden.
Das große Wiener Derby ist somit nach dem Glasgower „Old Firm“-Derby zwischen den Rangers und Celitc das zweitlängste gespielte Städte-Duell Europas.